Die Londoner Drakulia Vampire 01 - Luzifers Wüstling
ihr erzählen. Und es sollte ihr eigentlich auch gleichgültig sein. Aber sie wusste, dass dem nicht so war.
Dieser Teil ihres Lebens war unvollendet, so fühlte sie sich.
Am Tag nachdem Chas und sie aus Paris zurückgekehrt waren, und als sie keinen Schlaf fand, hatte Angelica nicht mehr widerstehen können und die Schublade ihres Schreibtischs geöffnet. Der Brief, den Voss ihr geschickt hatte, nachdem sie ihm geschrieben hatte, was sie in der Uhrenkette hatte lesen können, lag immer noch in der Schublade, das Siegel nicht aufgebrochen. Selbst die neugierige Maia hatte ihn anscheinend nicht entdeckt ... außer sie hatte Mittel und Wege gefunden, das Siegel zu öffnen, ohne es aufzubrechen.
Angelica war sich bei ihrer Schwester da gar nicht so sicher.
Im kleinen Lichtkegel ihrer Nachtischlampe besah sie sich da ihren Namen, einfach als Angelica dort hingeschrieben, ein klarer, sicherer Schriftzug. Nach kurzem Zögern brach sie das Siegel und faltete den Bogen auf und fand noch mehr von seiner Schrift, die fast die Hälfte des Papiers bedeckte.
Angelica. Ich bin sehr dankbar für die Informationen, die Sie mir haben zukommen lassen, und aus diesem Grunde beabsichtige ich, meinen Teil unserer Abmachung einzuhalten und London zu verlassen. Ich sage Ihnen also Lebewohl und gebe Ihnen noch eine Warnung auf den Weg mit: Tragen Sie die Rubine nicht in Gegenwart von Corvindale oder am Besten gar nicht, solange Sie seinem Schutz anbefohlen sind. Ich hatte die Anhänger als einen Scherz gedacht, den nur er verstehen würde, aber im Rückblick habe ich es mir anders überlegt. Sie zu tragen, würde Ihnen nur Schmerz verursachen und, ob Sie mir dies nun glauben können oder nicht, das ist das Letzte, was ich Ihnen jemals wünschen würde. Ihr ergebener Diener. Voss.
Die Unterschrift war größer als der übrige Text und hatte einen kühnen und charmanten Schwung – so wie der Mann selber. Bei diesem Gedanken hatte Angelica gelächelt und ihn nochmals gelesen und dann ein drittes Mal.
Und dann ging ihr auf, dass sie wütend sein sollte ... denn wenn sie die Botschaft gelesen hätte , hätte sie die Rubine niemals getragen. Und sie wäre nicht entführt und nach Paris verschleppt worden.
Aber wenn sie nicht entführt und nach Paris verschleppt worden wäre, hätte sie Voss auch niemals wieder gesehen. Und irgendwie machte die Erfahrung, diese Zeit dort mit ihm, die Unannehmlichkeiten und den Schrecken wieder wett, die sie wegen Moldavi durchgemacht hatte.
Was war sie doch für eine Närrin? Sich zu verlieben? In einen Vampyr ?
„Ich liebe dieses Stück für Violine“, Maia lehnte sich flüsternd zu ihr und zeigte auf einen der Punkte auf ihrem Programm und entriss Angelica damit ihren Grübeleien. „Ich hoffe, sie ruiniert es nicht. Melanie hat so dicke Finger.“
Angelica unterdrückte ein Lachen und wurde dann wieder ernst, denn sie wurde wieder an Voss erinnert, als die zweite der Stubblefield Schwestern begann, die Violine zu spielen. Er hatte sich über den quietschenden Stuhl eines Geigers beklagt, als wäre es eine schwere Zumutung. Diesmal stand die Violinistin jedenfalls und saß nicht.
„Harrington ist soeben in den Saal gekommen“, sprach Maia plötzlich aus dem Mundwinkel.
Angelica schloss die Augen und wartete.
Nein. Es geschah nicht.
Diese freudige Erwartung, diese kleinen Schauer, nichts davon trat ein. Sie verspürte nicht den Drang, sich heimlich umzudrehen und ihn zu betrachten, sich zu fragen, ob er einen Weg finden würde, sie beide in eine dunkle Ecke zu manövrieren, für einen zarten Kuss.
Oder einen leidenschaftlichen.
„Er kommt hierher, hinten durch das Zimmer“, fügte Maia hinzu. „Er sieht etwas ... entschlossen aus.“ Sie lächelte hintergründig und warf ihrer Schwester von der Seite her einen verschwörerischen Blick zu.
Es prickelte Angelica nicht hinten am Hals, obwohl sie wusste, dass ihr Galan sich an der Wand direkt hinter ihr seinen Weg zu ihr bahnte. Ihr Puls wurde nicht schneller, noch flatterten ihr Schmetterlinge im Bauch.
Aber so war es oft, wusste sie. Die Ehe begann selten als die leidenschaftliche Verbindung, welche ihre Vorfahrin und ihr Zigeunerbräutigam Vinio sofort empfunden hatten. Meistens begann sie mit einer Art gegenseitiger Wertschätzung, dass man die Gegenwart des anderen nicht gerade als Folter empfand – und dann bestand sie natürlich
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