Die Londoner Drakulia Vampire 01 - Luzifers Wüstling
Duft in die Nase.
Alle Mitglieder der Drakulia hatten, neben ihren ganzen übrigen Eigenheiten, stets einen sehr ausgeprägten Geruchssinn. Das hatte seine Vorzüge, konnte aber auch sehr lästig sein. Denn das Miasma an Gerüchen konnte besonders in ungewohnter Umgebung übermächtig werden. Voss hatte gelernt, die guten, die merkwürdigen und die ekligen davon zu einem recht annehmbaren Ganzen zusammenzumischen. Aber es gab Momente, da sonderte sich ein Geruch von den anderen ab und stieg ihm in die Nase. Das könnte ein widerlicher, ein absonderlicher Geruch oder auch nur ein durchdringender Geruch sein.
In diesem Falle war es ... unbeschreiblich. Erregend und ... faszinierend.
Voss zuckte zusammen. Es wurde ihm unangenehm bewusst, wie lächerlich er gerade ausgesehen haben musste: Nase weit vorgestreckt, die Nasenflügel fast flatternd bei dem Versuch, diese ungewöhnliche Aura einzufangen. Glücklicherweise schien niemand anders es bemerkt zu haben – denn auch die junge Dame hatte soeben gerade sämtliche Benimmregeln der guten Gesellschaft gebrochen.
Sogar sein Aufenthalt von gut dreißig Jahren in den Kolonien – Grundgütiger! Man musste sie jetzt doch die Vereinigten Staaten nennen, oder? – hatte Voss nicht vergessen lassen, dass eine wohlerzogene junge Dame sich niemals einem Mann näherte, den sie nicht kannte, und ihn auch noch von sich aus ansprach. Und auch noch ohne Anstandsdame.
Aber genau das passierte gerade dem sprachlosen Brickbank, dessen Nasenspitze immer noch recht rot war.
„– muss einen Augenblick Ihrer Zeit in Anspruch nehmen, Mylord“, sagte sie gerade. Man musste es ihr lassen: Trotz der Dringlichkeit, welche die Sache für sie zu haben schien, klang ihre Stimme ruhig und auch angenehm tief.
„Ich – ehem –“, die absolute Verwirrung seitens Brickbank rührte nunmehr nicht lediglich vom Genuss eines ausgezeichneten Brandy her, sondern zusätzlich auch noch von diesem eklatanten Verstoß gegen den guten Ton. „Aber selbstverständlich, Miss ... ehem, Mada– ... Milady?“
„Vielleicht könnten wir kurz zur Seite treten?“, fragte sie.
Voss war nähergerutscht. Und keineswegs, so sagte er sich selbst, um etwa unbemerkt weiter diesen Geruch zu erhaschen, der sie umgab. Schon bei dem Gedanken kam er sich lächerlich vor. Nein, es war, um ihre Haarfarbe besser erkennen zu können. Ebenso die ihrer Augen. Und um herauszufinden, ob das nun wirklich ein kleiner Leberfleck dort hinten an ihrem Hals war – genau da, wo er in eine zarte, rosige Schulter überging – oder ob es sich um eine Art Klecks handelte.
Corvindale sagte etwas und tat einen Schritt, so dass er nun Voss den Blick verstellte und diesen damit mit einem Ruck wieder in die Gegenwart zurückholte – aus seinem Tagtraum.
Einem unglaublich verlockenden Traum.
Jetzt da er sich wieder auf die Unterhaltung konzentrierte, stellte er fest, dass sie nicht nur reichlich unerfahren war ... sondern zudem noch das Mündel von Corvindale.
Luzifers Nägel und noch mal! Das machte sie nur noch verlockender. Er lächelte.
„Mein Name ist Angelica Woodmore“, sagte sie gerade. Ihr Haar war dunkel, fast schwarz, aber es waren auch braune Strähnen darin, die es fast funkeln machten. Ungeduld lag ihr in der Stimme, und ungeachtet der Tatsache, dass sie sich fast in eine Gruppe von unbekannten Herren hineingepflügt hatte – die obendrein noch recht imposant und unnahbar aussahen –, schien es ihr vor allem anderen darum zu gehen, ein paar Wörtchen mit Brickbank zu reden.
„Miss Woodmore, ich bin der Earl von Corvindale“, sagte Dimitri in einem Ton, bei dem weniger mutige Mädchen wohl auf der Stelle wie angewurzelt stehen geblieben wären.
Sie blieb auch stehen. Miss Woodmore blickte ihn einen kurzen Moment lang erstaunt an. Dann wurden ihre mandelförmigen Augen schmal. „Meine Schwester hat Sie schon überall gesucht, Mylord. Uns wurde gesagt, Sie wären heute hier anwesend. Sie haben nicht auf ihren Brief geantwortet.“
Voss versuchte erst gar nicht ernsthaft, seine Heiterkeit ob ihres strengen Tadels zu unterdrücken. Den Earl derart runterzuputzen! Vielleicht war sie nicht ganz so jung, wie er zunächst angenommen hatte. Er hatte sich oft schon gefragt, was die Frauen denn eigentlich an diesem Mann fanden. Miss Woodmore hatte da wohl nur wenig Erfreuliches gefunden. Es stimmte ihn merkwürdig glücklich, dass dem so war.
Corvindale hatte sich natürlich nun zu
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