Die Lucifer-Connection (German Edition)
dazu. Wenn ihre freiwillige Lebensweise deine Vorstellungen von menschlicher Würde beleidigt, dann fahr doch nach Hause. In Deutschland geht es allen gut, und alle sind gut drauf, stimmt’s? Sie hocken in elenden Mietskasernen in Wanne-Eickel und sehen sich die Fette am Mittag auf Flachbildschirmen an, die sie noch abstottern müssen – in sechzig Monatsraten zu neunundzwanzigneunundneunzig. Neben ihnen auf dem Sofa sitzt eine vollgefressene Frau, bei der man seit Jahren keinen mehr hochkriegt, und rechnet sich aus, wie das nach der Kündigung mit Hartz vier funktionieren soll. Sie fahren nicht mehr mit dem Auto, weil eine Tankfüllung dreimal soviel kostet wie ein DVD-Player, den kleine Asiaten mit flinken Fingern aus Restmüll zusammengebastelt haben und der genau einen Tag nach dem Ende der Garantiezeit auseinanderfliegt. Sie finden das toll, weil sie mit dieser Scheiße aufgewachsen sind und nie was anderes gesehen haben. Außer Mallorca. Dasselbe gilt für die Bimbos. Du kannst hier keinen europäischen Vorposten errichten und Aldi-Läden aufmachen oder McDonald’s, nur weil das die Art zu leben ist, die du kennst. Die können hier fast alle nicht lesen. Müssen sie auch nicht. Gibt zuviel zu arbeiten für den großen, weißen Jäger. Die Leute sind zu sehr mit Diamantenwaschen und Ficken beschäftigt. Mehr haben sie nicht drauf, wenn sie sich nicht gerade gegenseitig abmurksen und Gliedmaßen absägen. Hier war mal so ein Arschloch, der wollte ein Buch über mich und mein schönes Leben schreiben. Dem habe ich gesagt: Dein beschissenes Notebook hat nicht genug Speicherplatz für alle Geschichten, die ich hier erlebt habe. Übrigens, ich heiße Günter.“
„Du solltest gelegentlich mal nach Deutschland fahren und dir deine Schrauben nachziehen lassen.“
Roelf hatte genervt und schweigend den Redeschwall mitgehört, stand auf und murmelte zu Gill: „Ich geh’ mal ein paar Schritte und sehe mich um. Bin spätestens in zwanzig Minuten wieder hier.“
Günter brüllte nach einem weiteren Star-Bier. Als der griechische Wirt es ihm hinstellte, lallte er: „Treib mal ein paar Frauen für mich und meinen Freund zusammen.“
„Wie viele?“
„So viele, wie in die Hölle passen. Treib sie zusammen. Ich übernehme die Transportkosten. Wenn es mit der Inflation so weit kommt, dass ich mir überlegen muss, wie viele Frauen ich mir pro Nacht leisten kann, wird es Zeit, das Land zu verlassen und weiterzuziehen. Bin ein Tramp d’Amour.“
Ein beinamputierter Bettler hatte sich hereingeschlichen, als der Wirt kurz nicht aufmerksam gewesen war. Auf seinem Brett rollte er zu ihrem Tisch und jammerte auf Krio nach ein paar Cents. „Bitte. Nur ein klein Geld. Zehn Cent.“
Günter beugte sich zu ihm. „Du glaubst wahrscheinlich, du hast es schwer, was? Okay, die Frau ist krank, die Beine sind ab, die Kinder haben nichts zu fressen. Erzähl mir mal was Neues. Wie würde es dir gefallen, in Herne zu leben? Manche dort haben nicht mal Sky und müssen die Spiele in einem beschissenen Zusammenschnitt in der Sportschau sehen. Nix Sky, nix live dabei.“
„Mastah, ich versteh nicht Skaaaai. Gib mir zehn Cent, bitte.“
„Genau. Du verstehst nichts. Du weißt gar nicht, wie gut du es hast.“
„Könnte es sein, dass du ein verdammter Spitzel der Wild Side Boys bist?“ Gills Instinkte waren plötzlich online.
„Ich und Spitzel? Du spinnst. Ich bin gelegentlich Geschäftsmann. Mann, in diesem Teil des Universums macht jeder mal Geschäfte mit jedem. Das ist einfach so: Heute bist du mein schlimmster Feind und drohst mir die Arme abzuhacken, morgen vielleicht mein Geschäftspartner. Klar, ich habe schon mal mit den Boys gedealt …“
Das Großmaul könnte ein ernstes Problem sein. Sicher meldete er der Gang jedes neue Gesicht in dieser Region, die sie als ihr Territorium betrachteten. Auch für weniger als dreißig Silberlinge.
„Als Geschäftsmann muss man Prioritäten setzen. Ich finde Geld im allgemeinen vulgär. Besonders in kleinen Mengen. Meine erste Priorität ist die Farbe Weiß. Ich bin ein weißer Mann, du bist ein weißer Mann. Du hast genug Geld, um eine kleine Armee auszurüsten. Dann hast du auch genug Geld für HUMINT.“
„Für was?“
Gill reichte dem Bettler einen Schein. Voller Lobeshymnen auf den edlen Spender rollte er zum Ausgang, von einem Fußtritt des Wirtes beschleunigt.
„Das ist ein Ausdruck, den die Geheimdienste benutzen. HUMINT heißt Human Intelligence – im Gegensatz zu
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