Die Lucifer-Connection (German Edition)
unvorstellbarer Grausamkeit geführt. Kindersoldaten, die Arme und Beine abhackten. Samuel Doe, ein ehemaliger Präsident Liberias, ließ einen General, dessen Putschversuch gescheitert war, in Stücke hacken. Die zerstückelte Leiche wurde der Bevölkerung gezeigt, bevor sie vor Zeugen von Does Männern gefressen wurde. Später wurde Doe von Prince Johnson weggeputscht. Es gab da eine legendäre Pressekonferenz: Vor internationalen Journalisten trat Prince Johnson mit einer Reggae-Band auf und spielte ,Rivers of Babylon‘. Anschließend zeigte er dem verdatterten Publikum ein Video, auf dem Doe gefoltert wurde. Doe wurde ein Ohr abgeschnitten, und die Folterknechte zwangen ihn dazu, es zu essen. Einmal fuhr Prince Johnson in der Stadt herum und schoss in ein Auto mit einem europäischen Ehepaar. Der Mann war sofort tot, die verletzte Frau wurde von seinen Leuten weggeschleppt. Man hat sie nie wiedergesehen, weder lebend noch als Leiche. Das sind die Sachen, die ich über diese beschissene Ecke der Welt weiß.“
„Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht.“
„Gerade angelesen.“
„Doe war auch ein Mistkerl, der Gemetzel liebte. Außerdem hatte er es mit Hexerei und schwarzer Magie. Er schenkte CIA-Direktor William Webster einmal einen Beutel mit Zauberstaub. Aber Liberia ist landschaftlich sehr schön. Nirgendwo gibt es dichteren Regenwald.“
„Na wunderbar. Wird abgeholzt. Völkermord und die Ausplünderung der Ressourcen durch Multis. Angeblich sind die willkürlich gezogenen Grenzen, die verfeindete Stämme in dasselbe Staatsgebilde zwingen, Schuld an diesen Genoziden.“
„Der schlimmste afrikanische Völkermord wurde von einem Landsmann von mir begangen.“
„Sie sind Belgier?“
„Ja. Zwischen 1885 und 1912 ließ König Leopold von seiner Privatarmee zehn Millionen Kongolesen töten, verhungern oder zu Tode arbeiten.“
„Das ist lange her.“
„Wo Menschen in tiefster Armut leben, bedeutet Gewalt eine Form von Freiheit.“
„Aber diese unnötigen Grausamkeiten … Zehnjährige wurden dazu gezwungen, ihren Eltern die Arme abzuhacken. Das ist schwer erklärbar. Das schwarze Herz Afrikas.“
„O nein! Nicht schon wieder Conrad! Dann erklären Sie mir mal die Greuel auf dem Balkan, wo der Nachbar den Nachbarn geschächtet hat. Oder was die Nazis im hellen Herzen Europas angestellt haben.“
„Sie sind ein Sophist.“
„Das Abhacken von Händen hat Leopold eingeführt. Seine Beamten ließen den Untertanen die Hände abhacken, wenn sie nicht genug Kautschuk gesammelt hatten. Negerhände aus Schokolade sind noch heute eine gern gegessene Köstlichkeit in meinem Land. Wissen Sie, was indirektes Regieren heißt?“
„So haben die Briten ihre Kolonien verwaltet. Indem sie die Verwaltung mit Einheimischen besetzten.“
„Das hieß in Afrika, dass die Kolonialherren einer Minderheit die Macht verliehen, um die Mehrheit auszubeuten. Sie suchten sich kleine Stämme, machten sie zu Vasallen und belohnten ihre Treue damit, dass sie andere Stämme mit der mächtigen Unterstützung der Kolonialmacht terrorisieren durften. Aber nicht nur die Europäer. Im Sudan haben die nördlichen Araber seit Jahrhunderten einen afrikanischen Stamm gegen den anderen ausgespielt. Sie haben sogar ein Sprichwort dafür: Aktul al-abid bil abid.“
„Töte die Sklaven durch Sklaven.“
„Mr. Gill! Sie sprechen Arabisch?“
„Nur wenig.“
„Es ist im Grunde eine simple Staatskunst. Die Kolonialmächte errichteten Staatsstrukturen, die nur ihnen und einer kleinen, dominanten Gruppe dienten. Für die Mehrheit hatte dieser Staat keine Gerechtigkeit, nicht einmal ein funktionierendes Rechtssystem. Die meisten Menschen waren der Tyrannei ausgesetzt, absoluter Willkür. Sie fanden nur innerhalb des eigenen Stammes Sicherheit. Das hat überhaupt nichts mit der oberflächlichen Tribalismusdiskussion zu tun, die von bleichgesichtigen Historikern so gerne als Erklärung verbreitet wird. Die heute zum Ausbruch kommende Anarchie ist eine Form der Tyrannei.“
„Teile und herrsche.“
„Caesars unsterbliche Weisheit, fortgeschrieben von Machiavelli. Tribalismus löste das Problem, wie man die größtmögliche Menge mit möglichst geringem Aufwand ausbeutet. Dabei betonte man Stammesunterschiede, die zuvor keine Rolle gespielt hatten.“
„Und so wurde der Hass zwischen den Stämmen festgesetzt, der sich heute extrem auswirkt.“
„Quatsch. Die meisten Stämme Afrikas leben trotzdem friedlich nebeneinander. Ich gebe
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