Die Lucifer Direktive
alte Bauten standen in krassem Anachronismus zu modernen Strukturen, wie man sie auch in typischen amerikanischen Städten fand.
Das Abdel-Aziz lag in einer gleichnamigen Straße im modernsten und elegantesten Viertel der Stadt. Die Straße davor glänzte frisch geteert, und der Bürgersteig befand sich in unterschiedlichen Stadien der Erneuerung. Ab und zu fuhr ein Bus vorbei, an dem überall Fahrgäste herumzuhängen schienen. Ein Zeichen für Kairos Versagen, mit seiner wachsenden Bevölkerung Schritt zu halten.
Der Verkehrslärm und der Geruch der City beruhigten Dan, gaben ihm ein Gefühl der Vertrautheit. Hier schien er eher in seinem Element zu sein, obwohl das ganz und gar nicht der Fall war. Es herrschte reger Betrieb, wie man schon an den zweispurigen Autoschlangen feststellen konnte, die sich in beide Richtungen vorbeischoben. Das Abdel-Aziz besaß nur ein schwach leuchtendes Schild über dem Eingang. Dan mußte sich anstrengen, um die Buchstaben zu entziffern. Exklusive Restaurants müssen selten für sich werben.
Sie hatten vor einer halben Stunde das Hotel verlassen. Zwei von Koralskis Fünf-Mann-Team waren zurückgeblieben, um auf Gabriele ›achtzugeben‹. Die anderen drei waren mit ihnen bis zur Straße gegangen und hatten bereits ihre Positionen eingenommen. Dan versuchte es, konnte sich aber nicht mehr an ihre Gesichter erinnern. Er entsann sich nur ihrer bärenhaften Gestalten und ihrer mechanischen Augen. Ein KGB-Killerkommando, erklärte Koralski ihm, ein Elitecorps.
Die Minuten tickten dahin.
»Sind Sie sicher, daß Black den Vordereingang benutzen wird?« fragte Dan Koralski.
»Ihm bleibt nichts anderes übrig. Ich kenne die Räumlichkeiten. Es gibt keinen Geheimausgang wie in Bauers Bar.«
Dan zögerte. »Trauen Sie Gabriele wirklich nicht?«
Der Russe sah ihn mitleidig an. »Sie lieben sie, nicht wahr, young Lennagin?«
»Ich … ich weiß nicht.«
»Versuchen Sie, sie nicht zu lieben. Das hat keine Zukunft. Aber um Ihre Frage zu beantworten: Ich traue ihr alles zu. Auf der Reeperbahn hatte sie die Chance, Black zu töten, und zog nicht einmal die Waffe. Der gleiche Fehler diese Nacht kann uns beide das Leben kosten. Die beiden Männer, die ich vor ihrer Tür postiert habe, werden sicherstellen, daß sie uns unseren Plan nicht ruiniert.«
»Oberst, ich – ich glaube, ich liebe sie.«
Koralski lächelte. »Die Torheiten der Jugend, young Lennagin. Sie ist etwas, woran man sich in der Welt von Furcht und Hoffnungslosigkeit klammern kann, in die Sie hineingestolpert sind. Sie ist niemand, den man liebt. Aber wenn Sie es sich in den Kopf gesetzt haben, werde ich Sie wohl beide in Sicherheit bringen müssen. Vielleicht treffen wir unterwegs sogar einen Priester.« Der Oberst lachte.
Dan lächelte mit, obwohl sein Herz nicht dabei war. Er mochte den Russen. Wenn er sich ihn so ansah, konnte man ihn leicht mit Renaldo Black vergleichen. Sie hatten viel gemeinsam, auch wenn sie sich in ein paar wichtigen Punkten unterschieden: Koralski konnte seine berufsmäßige Kälte beiseite schieben. Black nicht. Der Oberst akzeptierte die dunkle Welt des Todes; Black liebte sie.
»Es gäbe noch eine Möglichkeit, young Lennagin«, erklärte Koralski. »Wenn das alles vorbei ist, könnten Sie bei mir bleiben und in meinen Agentenring eintreten. Sie haben schon viel gelernt. Ich könnte Ihnen den Rest beibringen.«
»Ich habe nie vorgehabt, ein russischer Spion zu werden.«
»Sie wären überrascht, wie oft wir gegen dieselben Feinde kämpfen wie ihr Amerikaner. Abwehrleute sind in erster Linie Profis. Einige der Männer, die meine schlimmsten Feinde sein sollten, sind tatsächlich meine besten Bekannten, denn ich weiß, was ich von ihnen zu erwarten habe. Der Hickhack spielt sich weiter unten auf militärischer Ebene ab. Für gewöhnlich ignorieren wir das und erledigen unseren Job in freundlichem, rivalisierendem Wettstreit.«
»Seltsame Art, die Dinge zu betrachten.«
»Und was ist mit Ihren Augen? Sie gehören nicht mehr zu einem verängstigten Jungen, überhaupt zu keinem Jungen mehr. Ich habe hineingesehen und kann Ihnen das versichern. Sie haben etwas verloren, was Sie nie wiederkriegen können. Sie brauchen es gar nicht erst versuchen. Besser, Sie finden sich damit ab und umarmen das Leben, das Sie gefunden haben.«
»Ich glaube, damit käme ich nicht zurecht.«
Die rechte Hälfte von Koralskis Schnurrbart bog sich nach oben. »Das tun Sie bereits.«
»Wie
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