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Die Lucifer Direktive

Titel: Die Lucifer Direktive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Land
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den Kopf. Dann rannte er, rannte und hielt Bathgates Umschlag fest umklammert. Die kühle Frühlingsluft schlug ihm ins Gesicht und trocknete das Blut auf seiner Windjacke. Ein Auto bremste quietschend, als Dan vor ihm auftauchte und strauchelte. Er kam am vertrauten Horace-Mann-English-Gebäude vorbei und bog in eine schmale Seitenstraße ein, wobei er sich nie traute zurückzuschauen, aus Angst, der schwarze Riese könnte ihm immer noch auf den Fersen sein. Ein Auto bog zu schnell um die Ecke und schlingerte mit kreischenden Reifen auf ihn zu. Dan hechtete auf den Bürgersteig und schlug mit dem Knie aufs Pflaster. Seine Augen entdeckten den Fahrer. Ein betrunkener Student, nichts weiter. Dan strebte weiter, jetzt etwas langsamer.
    Rings um ihn lauerte der Tod. Tod durch Gewalt. Diese Tatsache weckte ihn wieder zum Leben und ließ ihn auf der Hut sein. Genau jetzt könnte er dort neben Bathgate liegen. Diese Möglichkeit ließ ihn schaudern, als er weitereilte. Er hatte ein wenig die Orientierung verloren, wußte aber genau, wohin er wollte.
    Vor ihm brannten einige Lichter im West Quad, eine Aneinanderreihung verschiedener miteinander verbundener Häuser, die fast ausschließlich den Erstsemestern vorbehalten waren. Eine Tür schwang langsam zu. Dan stürzte vor, um rechtzeitig seinen Fuß in die Öffnung zu stellen, ehe die Tür ins Schloß fiel. Er konnte nicht mehr. Er mußte verschnaufen, seine Gedanken und seinen Verstand sammeln. Seine Sinne waren soweit getrübt, daß selbst dieses vertraute Terrain fremd für ihn schien. Er schloß die Tür zum Mead House hinter sich und lehnte sich dagegen.
    Dan sah hinunter. Bathgates Umschlag klemmte immer noch zwischen seinen Fingern. Zerknickt und blutverkrustet, aber immer noch intakt. Dan rückte bis zur Wand und ließ sich mit dem Rücken an ihr entlang in die Knie sinken. Er nestelte den Umschlag auf und zog seinen Inhalt heraus.
    Das erste, was er sah, war eine Schwarzweiß-Aufnahme von einer stehenden Person, ein kräftig gebauter Mann mit ausdruckslosem Gesicht, hellem Haar und Augen, die eher wie runde, in den Schädel gedrückte Glasstückchen wirkten. Er war kräftig, hochgewachsen und breitschultrig. Dan schauderte. Ein großer Mann, erinnerte er sich, hatte das Massaker vom Blutigen Samstag organisiert, und Bathgate hatte einen Bericht über den jüngsten Bombenanschlag erwartet. Die Verbindung war unübersehbar. Dieser klotzige Mann steckte hinter beiden Attentaten.
    Dan fühlte, wie die Furcht in ihm Schicht um Schicht, Frösteln um Frösteln, wuchs. Sein Blick fiel auf eine Karte, die unten an das Foto geheftet war. Die Mitteilung traf ihn wie ein Schlag, versetzte ihn in einen Zustand, der weit über Panik, weit über Furcht hinausging. Sein Herz hämmerte und drohte, seine Brust zu sprengen.
    Lucifer ist schwarz. Schwarz ist Lucifer.
    Die Worte des Doctors, noch vor wenigen Minuten von Bathgate wiederholt.
    Hätte es früher erkennen müssen …
    Dan sah es jetzt, aber er schloß die Augen und versuchte, zu verdrängen, was auf der Karte geschrieben stand.
    Der Name des Mannes war Black.
    Renaldo Black.

12
    Dan kehrte nicht gleich zum Verbindungshaus zurück. Die Aussicht, daß der schwarze Riese immer noch draußen in der Dunkelheit lauerte, veranlaßte ihn, auf den Stufen der Treppe im Mead House mit Blick auf den Eingang hockenzubleiben. Jedesmal, wenn sich die Tür öffnete, begann sein Herz zu rasen. Bislang allerdings waren nur Studenten hereingekommen.
    Dan blieb auf seinem Posten. Er konnte nicht auf ewig hierbleiben, aber eine Ahnung sagte ihm, er solle noch ein bißchen warten. Es dauerte noch weitere fünf Minuten, bis er wußte, was er gesucht hatte, und begann mit dem Lärm vieler Schuhe, die die Treppe hinunterpolterten. Dan stand auf und wurde sogleich von einem Strom männlicher Studienanfänger überholt, die unterwegs waren, irgendwo in einer der vielen Snack Bars der Universität eine Kleinigkeit zu Abend zu essen.
    Wenn es sonst nichts gibt, versteck dich in der Menge.
    In einem Spiel, das sich Kidnapping nannte und in dem Novizen und Brüder der Verbindung sich gegenseitig verfolgten und zu fangen trachteten, gehörte dies zu den vielen Ratschlägen, die von Jahrgang zu Jahrgang weitergegeben wurden. Ehe der letzte Studienanfänger die Tür des Mead House hinter sich schloß, hatte Dan sich längst dem Trupp angeschlossen, wobei er sich so weit hinten hielt, daß er ihnen nicht auffiel, aber gleichzeitig zu ihnen zu gehören

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