Die Luecke im Gesetz
Angst davor, ihr Sorgerecht zu verlieren. Ich konnte sie allerdings beruhigen. Natürlich hatte sie sich nicht wegen Förderung eines sexuellen Missbrauchs strafbar gemacht. Sie hatte sich auch nicht wegen Förderung sexueller Handlungen mit dem Gesetz in Konflikt gebracht. Zwar sieht das Gesetz eine Bestrafung derer vor, die es fördern, dass Jugendliche unter 16 Jahren sexuelle Handlungen aneinander vornehmen, allerdings ist diese Vorschrift geschaffen für Trainer aus Sportvereinen, Lehrer und andere Personen, denen Jugendliche zu Erziehungszwecken anvertraut sind. Hiervon ausgenommen sind allerdings die Eltern und erziehungsberechtigten Personen. Und das ist auch gut so.
Sarah K. hat völlig richtig gehandelt, denn es ist sicherlich besser, den Jugendlichen ein Zuhause zu bieten, als sie auf die Parkbank zu schicken.
16. Der nicht begangene Mord
Der Anwalt muss einen raushauen. Er muss mit möglichst allen Wassern gewaschen sein, um seinen straffällig gewordenen Mandanten vor einer Gefängnisstrafe zu bewahren. Das ist es, was man von Strafverteidigern erwartet. Das ist aber auch das, was man ihnen vorwirft. Dabei wird jedoch verkannt, dass die Aufgabe des Anwaltes vielmehr darin besteht, die Tat seines Mandanten in das für ihn günstigste Licht zu rücken.
So war es meine Aufgabe bei Martin G. Ihm war vorgeworfen worden, einen Mord begangen zu haben. Und tatsächlich hatte Martin G. nach einer ausufernden Zecherei mit mehreren Kumpanen einen Menschen mit einem Messer getötet. Vorangegangen war, dass Martin G. von dem späteren Opfer eine Flasche über den Kopf geschlagen wurde. Nachdem er sich wieder einigermaßen berappelt hatte, war er aus dem Zimmer gestolpert und holte aus seiner auf dem gleichen Stockwerk liegenden Wohnung ein langes Messer. Das Opfer ahnte wohl schon weiteren Ärger und kam meinem Mandanten auf dem Flur entgegen. Er begann, Martin G. zu beschimpfen und zu beleidigen. Martin G. geriet in Rage und stach dem Opfer 5 Zentimeter unterhalb der Schulter in die linke Brustseite. Das Opfer verstarb an inneren Blutungen, da die Aorta durch den Messerstich so verletzt wurde, dass eine Rettung nicht mehr möglich war.
In diesem Fall gelang es mir, das Gericht davon zu überzeugen, dass Martin G. weder einen Mord noch einen Totschlag begangen hatte. Entscheidend war, dass Martin G. das Opfer zwar verletzen, aber nicht töten wollte. Ausschlaggebend war der Hinweis auf die Art und Weise der Stichverletzung und vor allen Dingen deren Position. Martin G. hätte dem Opfer das Messer sicherlich auch in den Bauch oder mitten in die Brust stechen können. Er entschied sich jedoch, das Messer in den Körper kurz unterhalb der linken Schulter zu stechen. Das Gericht ließ sich in diesem Falle davon überzeugen, dass es sich um eine Körperverletzung mit Todesfolge handelte. Das Ergebnis war eine fünfjährige Freiheitsstrafe. Der Staatsanwalt hatte 12 Jahre wegen Totschlags gefordert.
Merke: Oftmals ist man besser beraten, keinen Freispruch zu fordern.
17. Die kostenlose Strafanzeige
Stefan S. hat sich maßlos über die jungen Burschen geärgert, die ihn als »Vollidiot« und »Depp« auf offener Straße bezeichnet und beleidigt hatten. Er suchte mich auf, weil er nun Strafanzeige gegen sie erstatten wollte. Stefan S. war kein vermögender Mann.
Ich verriet ihm Folgendes: Ein Strafverteidiger kann für das Aufsetzen einer Strafanzeige eine Gebühr in Höhe von rund 200,- € verlangen. Dieses Geld kann sich derjenige, der eine Strafanzeige erstatten will, allerdings sparen. Jede Polizeidienststelle ist verpflichtet, eine Strafanzeige aufzunehmen. Sie können sich also vor den Polizeibeamten setzen und ihm Ihre Strafanzeige in den Computer diktieren. Die Erstattung einer solchen Strafanzeige kostet Sie nichts.
Merke: Wollen Sie eine Strafanzeige erstatten, ist es finanziell für Sie günstiger, selbst zur Polizei zu gehen.
18. Gerechtes Strafmaß
Hanna F. und Brigitte K. beschwerten sich über ihr Urteil. Beide waren wegen Betrugs verurteilt worden. Hanna F. hatte einen Schaden in Höhe von 40.000,- € verursacht, sie verdiente monatlich 4.000,- € netto. Brigitte K. hatte einen Schaden in Höhe von 10.000,- € verursacht, sie verdiente monatlich 2.100,- € netto. Das Urteil gegen Hanna F. war eine Freiheitsstrafe von einem Jahr, Brigitte K. war zu einer Strafe in Höhe von 90 Tagessätzen á 120,- € verurteilt worden. Beide fühlten sich ungerecht behandelt und wollten in die Berufung
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