Die Lüge im Bett
gewartet. Jetzt sprudelt es aus ihr heraus, ihre Liebe zu Nic, die sie vorher verschwiegen hatte. Und wie sie sich so selbst zuhört, weiß sie, daß sie eine Entscheidung treffen muß. »Ich bin sicher, er wäre der richtige Mann für mich!« schließt sie ihren begeisterten Vortrag.
»Das gleiche hast du vor zwei Jahren über Sven gesagt«, entgegnet ihre Mutter trocken, »und damals seinetwegen deine sichere Stellung bei der Zeitung gekündigt!«
»Das war nicht seinetwegen, Mutti, das war meinetwegen. Ich wollte zum Fernsehen!«
Ihre Mutter schweigt, zeigt auf den Ring. »Dann mußt du den hier zurückgeben. Und zwar möglichst bald, denn alles andere wäre verlogen!«
»Ja, Mutti! Vielen Dank für den Tip!«
Ihre Mutter schaut sie schräg an. »Sven wird nicht wollen, daß du in seiner Abteilung bleibst. Hat dir dein Nic auch eine Arbeitsstelle anzubieten?«
Nina holt tief Luft. Daß ihre Mutter aber auch immer so pragmatisch sein muß. Geld spielt doch jetzt keine Rolle.
»Also nicht!« Ilse nickt bedächtig. »Und wie soll's dann weitergehen? Bei Nic einziehen, sich von ihm aushalten lassen? Auf seinen Ring warten? Meinst du, das geht so einfach?«
»Mutti!« Entrüstet schlägt Nina mit der flachen Hand auf den Tisch. »Du weißt genau, daß ich so etwas nie tun würde!«
Ilse Wessel zieht die fein geschwungenen Augenbrauen hoch. »Dann bleibt aber auch nicht mehr viel übrig, Nina!«
»Ich liebe ihn eben«, trotzig schnippt Nina den Ring über den Tisch. Er bleibt knapp vor der Kante liegen. »Das kannst du eben nicht verstehen!«
Ilse Wessel schiebt ihn zu Nina zurück. »Ja, wahrscheinlich nicht!«
Mit gemischten Gefühlen fährt Nina zurück nach Köln. Sie hatte eigentlich angenommen, bei ihrer Mutter auf Begeisterung zu stoßen für ihren Entschluß, mit der Vergangenheit zu brechen - und jetzt ist alles noch schwieriger. Ihre Mutter bewertet das bißchen Sicherheit bei Sven offensichtlich höher als ihre Zuneigung zu Nic.
Und wenn sie, Nina, ehrlich ist, hat sie auch ein bißchen geschwindelt. Denn ganz so blöd wollte sie vor ihrer Mutter auch nicht dastehen. Sie hat ihre Liebe in den glühendsten Farben geschildert und mit keinem Wort erwähnt, daß sie sich Nics Gefühlen ihr gegenüber überhaupt nicht sicher ist. Nur daß sie noch nicht miteinander geschlafen haben, das hat sie ihre Mutter stolz wissen lassen. Als Beweis für echte, tiefe Zuneigung, für eine Liebe, die nicht im schnellen Akt endet.
Ilse Wessel hat das gutgeheißen, aber nur deshalb, weil Nina so Sven zumindest noch nicht betrogen hatte.
Nina gibt Gas. Gern hätte sie Sven so getreten, aber ersatzweise muß nun eben sein Herzblatt, der BMW, herhalten. Es macht Spaß, Meister über knapp 200 PS zu sein, Königin der Landstraße. Vor jeder Kurve schaltet sie herunter, dröhnt hindurch, schaltet wieder hoch. Die Musik dröhnt in ihren Ohren. Die Rücklichter eines Wagens vor ihr bremsen ihr Temperament. Sie schließt zu ihm auf. Es ist ein alter Golf, ihrem eigenen nicht unähnlich. Am liebsten hätte sie ihn von der Straße gedrängt. In dieser Rostbeule von einem Auto erkennt sie ihre Unfähigkeit zum Erfolg, ihr eigenes unzufriedenes Ich, den Schiffbruch ihres Werdegangs, ihre zerplatzten Träume, ihre Lüge im Bett. Vor der nächsten Kurve geht sie wieder einen Gang runter. Wie ein Panther lauert sie hinter dem Golf, zum Sprung bereit. Der Golf zeigt Unsicherheit. Bremst, beschleunigt, bremst. Nur ein Bremslicht funktioniert. Sie fährt auf die Gegenfahrbahn, gibt Gas. Die Rechtskurve rast auf sie zu, der Wagen neben ihr macht eine Vollbremsung. Nina lacht hämisch auf, da merkt sie, daß die Kurve nicht ausläuft, sondern enger wird. Das ist ihr in ihrem alten Golf noch nie aufgefallen. Die Bäume am Straßenrand rasen auf sie zu, sie reißt das Steuer nach rechts herum, zu hektisch für den Hinterantrieb des schweren Wagens, sie merkt, wie sie ins Schleudern kommt, sich dreht, steuert krampfhaft gegen, aber es geht alles zu schnell. »Scheiße«, schreit sie noch, da kracht es. Der Wagen steht abrupt, Nina wird nach vorn geschleudert, die Sicherheitsgurte fangen sie auf, pressen sie in den Sitz. Sie sitzt still. Dann stürzen ihr Tränen aus den Augen, bis sie sich daran erinnert, daß sie die Unfallstelle irgendwie markieren muß, wenn nicht noch jemand im Dunkeln in sie hineinfahren soll.
In diesem Moment wird ihre Tür aufgerissen. »Sind Sie verletzt?«
»Was?« fragt Nina entsetzt und
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