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Die Lüge im Bett

Die Lüge im Bett

Titel: Die Lüge im Bett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Hauptmann
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Höchste. Jetzt läßt es sie kalt. In jeder freien Sekunde liest sie Stellenangebote, kauft sich am Samstag die FAZ und die Süddeutsche und quält sich durch den Stellenmarkt. Manches kreuzt sie sich an, schreibt in der Mittagspause heimlich Bewerbungsbriefe. Aber die meisten verlangen viel zu hohe Qualifikationen. Die kann sie nicht nachweisen. Kein Studium, kein Diplom und erst recht keinen Doktor. Und ohne Geld könnte sie sich den noch nicht einmal kaufen!
    Elf Tage nach dem Unfall, an einem Montag, steht Nina in der Toilette des Senders. Sie wäscht sich die Hände, betrachtet sich im Spiegel. Die Sonnenbräune ist verblaßt, Schatten liegen um ihre Augen. Sie tritt näher heran. Die Iris hat eine undefinierbare Farbe, ein dunkles Graugrün. Sie geht mit der Nase noch näher ran. Die Lippen sind rauh, das Rot des Lippenstiftes ist von feinen Rissen durchzogen. Nina versucht die Farbe mit dem Zeigefinger gleichmäßig zu verreiben, aber die Haut ist zu spröde. Und was ist das? Fältchen unter den Augen. Mein Gott! Energisch zieht sie die Haut an ihren Schläfen mit zwei Fingern glatt. Doch sobald sie losläßt, sind die häßlichen Falten wieder da. Nina stützt sich mit beiden Händen aufs Waschbecken. Jetzt ist alles zu Ende! Erfolglos und unqualifiziert, unglücklich verliebt und verlogen im Bett, und jetzt wird sie auch noch alt und schrumplig! Sie hätte heulen können.
    Und da jagt nochmals ein Adrenalinstoß durch ihre Adern. Sie hätte gestern ihre Tage bekommen müssen. Sie war eben auf der Toilette - da ist nichts! O Gott, wenn sie jetzt auch noch - ja, in der Nacht des Unfalls hat sie die Pille vergessen. Am nächsten Morgen nachgeholt, aber trotzdem. Dann kann Sven seinen heißgeliebten BMW mit einem Kindersitz verschandeln.
    Ein Kind von Sven! Wie grauenhaft! Sie muß sofort zum Arzt. Eine Abtreibung beantragen.
    Nina stürzt in die Redaktion.
    »Was ist denn mit dir los?« Sarah mustert sie. »Du bist ja weiß wie die Wand! Bist du schwanger?«
    Nina schluckt. Man sieht's bereits!! Sie greift nach ihrer Tasche: »Ich muß weg. Hab was vergessen! Ganz dringend!«
    Sie stürmt zur Tür.
    Elke hantiert an der Kaffeemaschine. »Wenn du sowieso an den Schneideräumen vorbeiläufst, dann nimm das doch gerade mit!« Sie hebt die Glaskanne von der Warmhalteplatte und gießt schwungvoll einen großen Keramikbecher voll.
    »Nee! Ich hab überhaupt keine Zeit! Sven kann seinen Kaffee selbst holen!«
    »Jetzt komm schon! Es ist ein Regisseur, der ist extra aus München hergekommen. Sei nicht so unhöflich.« Elke streckt ihr den Becher hin. »Ach, Quatsch, du kennst ihn doch! Der aus Brasilien!«
    Nina läßt ihre Tasche fallen und nimmt den Becher. »Wo? In welchem Raum? Welche Nummer?« Und damit ist sie draußen. Noch nie ist sie mit einem vollen Becher Kaffee so schnell gelaufen. Die heiße Brühe schwappt über den Rand, sie verbrüht sich die Finger. Das macht nichts, das ist ein schöner Schmerz, nichts, was mit Nic zu tun hat, könnte schrecklich sein! Warum hat er bloß nicht angerufen! Die ganze Zeit über nicht! Das schmerzt auch. Mehr als der heiße Kaffee. Aber wahrscheinlich hat er sie einfach nicht erreicht. Das wird es gewesen sein! Sicher!
    Nina hält die Luft an. Sie steht vor der geschlossenen Tür. Sie klopft. »Bitte!« Es ist wie beim Drehen. »Bitte!«
    Und der Tanz beginnt! Nina öffnet. Da steht er vor ihr. Immer noch gut gebräunt und in bester Verfassung!
    »Nina!« Herzlich schließt Nic sie in die Arme. Nina balanciert mit ihrer Tasse, schließt vor Glück die Augen.
    »Dein Schnitt ist doch erst für nächste Woche eingetragen - wieso bist du schon hier?« fragt sie dann und hätte ihn für diese Überraschung küssen können.
    »Ein anderes Projekt wurde wohl verschoben, und ich wurde vorgezogen. Mir ist's recht!«
    »Und mir erst!« Sie stellt die Tasse ab. Auf den Monitoren flimmert der Blick vom Zuckerhut hinunter auf die Stadt.
    »Schön, daß du da bist!« Mehr traut sie sich nicht zu sagen. Aber sie beschließt etwas. Es geht um ihre Würde, um ihre Glaubhaftigkeit sich selbst gegenüber. Heute abend wird sie Sven sagen, daß es vorbei ist. Schluß! Aus! Zu Ende!
    O Gott, Sven!
    Das Kind!
    Sie setzt sich auf einen der Drehstühle. »Wer schneidet mit dir?«
    »Birgit Bertschinger! Kennst du die?«
    »Da hast du Glück! Die ist gut, denkt mit. War lange beim SWF. Ist dann irgendwann nach Köln gezogen!«
    »Sicherlich wegen einer großen Liebe«, mutmaßt Nic und lächelt

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