Die Lüge im Bett
schon klar. Danke!«
Kurz darauf steht Nina allein da. Sie schaut sich um. In den anderen Boxen stehen Pferde, die durch die Gitter zu ihr herüberschauen. Die Mädchen tragen die restlichen Kartons herein.
Birgit kommt in Begleitung des Hundes nach. »Das ist Bob. Ganz sinnvoll, wenn er weiß, wie du riechst. Falls du mal nachts allein auf den Hof kommen solltest . Gib ihm am besten mal deine Hand!«
»Meine Hand?« Soll sie ihm jetzt die Pfote schütteln, oder was?
»Damit er schnuppern kann!«
Sie wird mit Sicherheit nie nachts allein auf den Hof kommen. Sie wird überhaupt nicht auf den Hof kommen!
Folgsam streckt sie Bob den Handrücken hin. Der Hund bleibt dicht vor Nina stehen, beobachtet sie durch seinen Flokati hindurch genau. Er ist furchteinflößend groß. Für Nina hat er die Dimension eines Kalbes, nur schärfere Zähne. Sie wartet ab, bereit, blitzschnell die Hand zurückzuziehen.
»Bob, das ist Nina!« Bob senkt die feuchte Nase, schnüffelt kurz, dreht sich um und geht aus der Box.
Was ist los - hat sie Körpergeruch? Das falsche Parfüm?
»Das reicht ihm«, nickt Birgit und verläßt ebenfalls die Box. Mir auch, denkt Nina und läuft hinterher. »Das ist übrigens mein Junger«, sagt Birgit und deutet auf die Box schräg gegenüber. Ein Rappe drückt seine Nüstern gegen die Stäbe.
»Nett«, Nina will raus, bleibt dann trotzdem kurz stehen.
»Wie heißt er?«
»Florian! Ein Bursche mit einem eigenwilligen Charakter!«
»Aha!« Bob und Florian, Begrüßungszeremonien und Charakterstudien. Irgendwie ist das von der realen Welt weit entfernt.
»Ich habe kein solches Verhältnis zu Tieren«, sagt sie entschuldigend im Hinausgehen. »Wir hatten nie welche!«
»Sie spüren das, aber sie werden dich überzeugen!«
»Sie spüren das?« wiederholt Nina ungläubig und beobachtet dabei Bob, der sich gerade schwergewichtig neben ihren Wagen stellt. Seiner Überzeugungskraft möchte Nina lieber aus dem Weg gehen. »Zeigst du mir das Zimmer, Birgit?«
Es ist gemütlicher als vermutet, groß, mit schweren Bauernmöbel und sogar hell gefliestem Bad. Und mit vierzig Mark pro Tag gerade noch im Rahmen des Möglichen. Nina zählt die Tage bis Weihnachten. Noch sechs. Also werden die Weihnachtsgeschenke für die Zwillinge leider etwas kleiner ausfallen müssen.
Der Montagmorgen ist für Nina völlig ungewohnt. In Gummistiefeln, ihre schwarzen Stiefeletten in der Hand, geht sie durch den Stall zum Auto. Die Pferde wiehern ihr zu, Bob wedelt auf Abstand einen schwachen GutenMorgen-Gruß. Ninas Magen meldet sich hörbar. Aber bei knapp einer Stunde Fahrt bis zu ihrer Arbeitsstelle wird sie ja wohl an einer Bäckerei vorbeikommen.
Sie hat den ganzen Sonntag verschlafen und fühlt sich jetzt frisch und ausgeruht. Die Geräusche aus dem Stall, der an das kleine Gästehaus angrenzt, gaben ihr gleich in der ersten Nacht ein Gefühl der Geborgenheit, das Federbett ist groß und schwer und erinnert sie an ihre Kindheit. Nina schlief bis tief in den Mittag, dann aß sie alles, was ihr Birgit noch am Samstag an Lebensmitteln besorgt hatte, legte sich eine Stunde in die Badewanne und schlief anschließend weiter. Auf dem langen Weg nach Köln beginnt Nina nun langsam, ihre Situation gut zu finden. Alles läuft völlig entspannt, viel leichter, als zu erwarten war. Die Chefin des Reitstalls, Irene Roller, hatte ihr kurz nach ihrer Ankunft die Zimmerschlüssel ausgehändigt und erklärt, daß das Zimmer bereit und außerdem mit Kühlschrank, Kaffeemaschine und Elektroplatten für Selbstversorger eingerichtet sei. Und damit waren die Formalitäten für sie erledigt. Den ganzen Sonntag lang hat sie niemand gestört. Nina lächelt stolz vor sich hin. Sie hat es gepackt, sie ist einen Schritt weiter. Jetzt kann sie Sven so richtig schön ärgern. Rache ist süß!
Im Sender angekommen, beäugt sie Sven tatsächlich mißtrauisch. »Na«, fragt er sie nach der Morgenkonferenz, »hast du ein schönes neues Zuhause?«
Nina lächelt glücklich. »Mir geht's ausgezeichnet, danke!«
Er betrachtet sie kurz. »Ein etwas seltsamer Duft haftet dir an, meine Liebe. Benutzt du ein neues Parfüm? Oder ist dein neuer Freund Bauer?«
Nina lacht glockenhell, obwohl sie sofort unsicher darüber nachdenkt, ob sie etwa nach Stall riecht. »Er ist kein Bauer, ganz im Gegenteil. Er hat mir gestern nur das Gut gezeigt, das seiner Familie gehört. Mit riesigen Ländereien, wunderschönen Pferden und einem Troß von Angestellten. Wie
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