Die Lüge im Bett
ihre Gene wild durcheinanderschleuderten. Jedesmal, wenn sie ihre Schwester sieht, kommt sie sich selbst grau und einfallslos vor. Nikki wirkt stets wie eine Karrierefrau auf der Schönheitsfarm: frisch vom Modestylisten, vom Haarstylisten und von der Kosmetikerin. Dabei besteht ihr ausschließlicher Job aus Windelnwechseln, Haus aufräumen und Mann befriedigen.
Die Welt ist einfach ungerecht.
Auf alle Fälle ist der Unfall vergessen, Guido setzt sich an den Tisch und erzählt von der Börse. Nina findet ihn entsetzlich spießig und steht auf, um den Christbaum zu schmücken. Nicole folgt ihr. »Na«, flüstert sie, während sie mit einer Hand eine Kerze befestigt und mit der anderen ihre Kinder abwehrt, »erzähl doch mal, wie ist er denn?«
Jetzt schlägt Ninas große Stunde. Endlich hat sie auch einmal etwas zu bieten. Nic sei nicht nur attraktiv, sondern auch noch ungemein erfolgreich, erzählt sie, dabei ein guter Gesprächspartner, intelligent und warmherzig.
»Habt ihr schon«, Nicole nimmt den Engel für die Christbaumspitze aus dem Karton und dreht sich damit zu Nina um, »habt ihr schon . eine Nacht hinter euch?«
»Vor uns«, sagt Nina schnell und schaut rasch nach der Familie. Aber die sitzt ins Gespräch vertieft am Tisch.
»Wir wollen das zelebrieren, verstehst du?« Nina zwinkert Nicole zu.
»Es soll nicht hoppla-hopp sein, sondern etwas Besonderes! Deshalb auch das Fest der Liebe! Weißt du, er ist keiner dieser Typen, die nur an sich denken, an ihre eigenen Bedürfnisse! Er respektiert mich und meinen Körper!«
»Gibt's das denn??« Nicole runzelt die Stirn und zupft grimmig die Goldhaare des Engels zurecht.
»Sven war auch nicht so!« Nina greift vorsichtig nach einer roten, großen Kugel und denkt dabei: Hat sie auch gesagt?
»Du scheinst da ja einen richtigen Goldfisch an der Angel zu haben!« Nicole steigt auf den Hocker und biegt die Tannenbaumspitze zu sich herunter. »Dann kann ich diese Aktion heute verstehen. Frisch verliebt zu sein ist das Größte.«
»Wie wahr, wie wahr«, Nina lacht aufgedreht, Nicole steckt den Engel auf den Baum und läßt die Spitze los. Das Ende des Tannenbaums schlägt in die andere Richtung aus, der Engel schießt an Nina vorbei mitten auf den Tisch, trifft Guidos Tasse, Porzellan splittert, und der Kaffee spritzt in alle Richtungen und rutscht mitsamt dem Engel Ilse auf den Schoß. Die restlichen Familienmitglieder springen auf.
Timo klatscht begeistert in seine Kinderhändchen und ruft:
»Noch mal, Mama, noch mal!«
Nina verkneift sich ein Lachen, Nicole steigt mit rotem Kopf von ihrem Hocker herunter. »Tut mir leid, Mutti, ich hole etwas zum Aufwischen!«
Ilse Wessel hat sich aber schon gefaßt; sie sammelt die Scherben auf und tupft ihr Kleid ab. Als sich die Wogen geglättet haben und Nicole mit weiteren Glaskugeln anrückt, versucht Nina ans alte Gesprächsthema anzuknüpfen.
»Bist du denn nicht glücklich?« fragt sie direkt.
»Ach, glücklich«, sagt Nicole mit einer wegwerfenden Handbewegung, und fast wäre nun auch noch eine Kugel über den Tisch gesaust, »ich habe keinen Grund, nicht glücklich zu sein!«
»Wie hört sich das denn an!« Nina hält eine Goldpapierkette in den Händen, die sie als Zwölfjährige gebastelt hat. Das ist das Schöne an Weihnachten, denkt sie dabei, daß man immer an die eigene Kindheit erinnert wird.
»So wie's eben ist!«
»Wie ist es denn?«
Nicole holt tief Luft, und es ist ihr anzusehen, daß sie überlegt, ob man ausgerechnet dieses Thema mit der kleinen Schwester besprechen sollte. Dann zuckt sie die Schultern.
»Das wirst du auch noch merken. Kinder verändern alles!«
Nina denkt kurz an die Wahrsagerin in Rio und will es genau wissen. »Wie alles?«
»Na ja, den Sex, wenn du's genau wissen willst!« Sie schaut kurz zu Guido, aber er ist mit Timo und Till beschäftigt, die es auf seine Kaffeetasse abgesehen haben.
»Inwiefern?«
Nicole bewaffnet sich mit einigen Kerzen und kommt dicht an ihre Seite. »Vor den Kindern bist du wild auf Sex, danach denkst du unwillkürlich, so, jetzt haben die Bemühungen ihr Ziel erreicht. Was soll's also noch! Mehr als das, was jetzt da ist, kann ja nicht kommen!«
»Hört sich nicht besonders gut an«, Nina schüttelt den Kopf. »Ist das bei allen so? Oder nur bei euch?«
»Es geben nicht alle zu, aber viele ziehen sich von ihren Männer zurück. Stillen unendlich lange oder haben sonst irgend etwas.«
Nina schaut nach den Zwillingen, die noch immer um
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