Die Lüge im Bett
die Tasse kämpfen. Sie nimmt Nicole eine Kerze ab und befestigt sie an einem Zweig, »Ich will nicht darüber nachdenken, das deprimiert mich! Obwohl - was tust du denn dagegen?«
Nicoles große Augen verengen sich zu schmalen Schlitzen.
»Ausprobieren, ob es an mir oder an Guido liegt«, flüstert sie.
»Ach ja? Und wie soll das gehen?«
»Mit einem anderen Mann natürlich!«
»Ein Liebhaber?« entfährt es Nina laut, und sie hält sich den Mund zu. Alle drehen sich nach ihr um.
»Was habt ihr denn für geheimnisvolle Themen?« fragt Guido und gibt einem seiner blonden Sprößlinge einen aufmunternden Klaps auf den Hintern: »Jetzt geht mal zu Mami, Baum schmücken!«
»Wir haben . «, beginnt Nina langsam, ». nur über einen Kinofilm gesprochen«, beendet Nicole, nicht ohne ihrer Schwester einen Blick zuzuwerfen, der sie in die Schranken der Zweitgeborenen zurückweist.
Nina schmückt still weiter den Baum und beobachtet dabei Guido. Er ist groß gewachsen, blond wie seine Söhne, wenn auch mit dünnerem Haar, hat kantige Gesichtszüge, eine fast römische Nase, graue Augen. Eigentlich ein gutaussehender Mann, denkt sie, und trotzdem hätte sie sich nie für ihn interessieren können. Irgendwas fehlt ihm. Feuer? Leidenschaft? Sie kann sich ihn nicht nackt vorstellen. Guido im blauen Blazer und ein abstehendes Glied passen irgendwie nicht zusammen. Und Nicole und Guido eigentlich auch nicht. Wie's da wohl im Bett abläuft? So wie bei Sven und ihr? Kein Wunder, daß Nicole da einen Liebhaber sucht. Nina denkt an Nic, an seine magnetisierende Wirkung auf sie. Sie brennt auf ihn, ihre Phantasie geht ständig mit ihr durch. So einen Mann brauchte Nicole auch! Sie muß ihrer Schwester nachher unbedingt sagen, daß sie vollstes Verständnis für sie hat.
DIE BESCHERUNG
Um sieben Uhr beschließen sie, das Christkind kommen zu lassen. Die Kinder werden sonst zu müde. Wie früher, zu Ninas Kinderzeit, werden die Zwillinge nach oben geschickt. Nina, Nicole und Guido gehen mit, während Ilse und Rudi die Geschenke um den Baum herum verteilen und die Kerzen anzünden. Nina denkt über Nicole nach. So offen war sie früher nie. Sie hat nie ein Wort über ihre Freunde verloren, selbst wenn Nina, neugierig, wie sie früher als Jüngere war, immer alles ganz genau wissen wollte. Eher bekam sie eine schnippische Abfuhr a la: Werd erst selbst mal so alt! Was wohl in sie gefahren ist, daß sie ihr Heile-Welt-Image ankratzt?
Der helle Klang der Silberglocke reißt sie aus ihren Gedanken. Wie früher! Noch dieselbe Glocke! Gemeinsam gehen sie hinunter, bleiben vor dem erleuchteten Baum stehen. Timo und Till drängen sich unsicher an ihre Mutter, Guido hat den Arm um seine Frau gelegt, nur Nina steht allein da. Sie schaut zu ihren Eltern neben dem Baum und muß lachen. Ihr Vater hat das schwere Akkordeon vom Speicher geholt, und jetzt schmettern sie sämtliche Weihnachtslieder, die sie kennen.
Nachdem die Zwillinge hektisch alle Pakete aufgerissen haben und nun alle am Tisch sitzen, kommt das Gespräch endlich auf den Grund des Abends: Nic.
Nicole versucht mit einem Seitenblick auf Nina abzuwehren: »Für uns ist die Vorverlegung ganz praktisch, dann können wir morgen noch mit Guidos Eltern feiern!« Aber Guido will es genau wissen, und auch Ilse Wessel ist anzumerken, daß sie mit Svens Abgang noch immer nicht einverstanden ist.
Nina versucht es zu erklären. »Es ist einfach die große Liebe, und so etwas läuft einem im Leben eben nicht allzu häufig über den Weg! Du hast dich doch auch für Vati entschieden, weil du ihn geliebt hast, Mutti, oder etwa nicht? Da darf es doch keine Zweifel geben!«
Gegen Mitternacht trägt Guido die schlafenden Kinder in den Wagen, Nicole sammelt die Geschenke ein, dann schließt sie Nina fest in ihre Arme: »Ich wünsche dir morgen die Nacht deines Lebens!«
DIE NACHT IHRES LEBENS
Weihnachten. Es ist soweit! Nina liegt noch im Bett, streckt sich, fährt mit den Händen über ihren Körper, findet sich rundherum zum Anbeißen, schält sich langsam unter ihrer dicken. Decke hervor und geht im Schlafanzug die Treppen hinunter zur Küche. Der Frühstückstisch ist gedeckt, Nina schaut nach ihren Eltern. Wie immer an freien Tagen findet sie ihren Vater hinter einer Zeitung im Wohnzimmer, und ihre Mutter gießt leise redend die Zimmerpflanzen.
»Gibst du ihnen ihre Streicheleinheiten?«
Ilse Wessel dreht sich nach ihrer Tochter um. Sie sieht unverschämt frisch für ihr Alter
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