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Die Lüge im Bett

Die Lüge im Bett

Titel: Die Lüge im Bett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Hauptmann
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da hinten?« hört sie eine ärgerliche Stimme hinter sich.
    »Du hättest mir auch sagen können, daß hier Poolfarben ausgegeben werden, Mensch. Ich stand ganz schön blöd da wegen dir!«
    Nina dreht sich vorsichtig um. Der Reporter, im grünen Anzug mit knallgelber Krawatte, steht neben seinem Kameramann. »Bist du bescheuert?« flüstert er. »Es gibt gar keine Poolfarben, und jetzt stehst du noch blöder da, denn jetzt kannst du schauen, wie du wieder vorkommst!«
    »Aber der . «, versucht sich der Vertriebene zu verteidigen und weist auf Walodja.
    »Wenn du auf den reinfällst, kannst du gleich deinen Job wechseln. Der reitet auf diese Tour. Schau, daß du wieder vorkommst!«
    Nina, in ihrer anerzogenen Höflichkeit, lieber anderen Platz zu machen, als selbst hervorzutreten, hätte am liebsten Walodja gebeten, den armen Kerl wieder nach vorne zu lassen. Sie weiß genau, wie er sich fühlen muß. Aber auch Walodja hat Ohren, er dreht sich um und lächelt ihn an: »Das nächste Mal, Junge! Aber stell dich dann besser nicht ausgerechnet vor mir auf!« Er bleckt beim Lächeln die Zähne und wirkt dabei ungefähr so freundlich wie eine englische Bulldogge vor einer Katze.
    Am Schluß bringen die drei einen Beitrag nach Hause, der vor allen bestehen wird, dessen ist sie sich sicher. Walodja tritt ihr, wenn es wesentlich wird, immer rechtzeitig auf den Fuß und schiebt sie schließlich, als die Fragerunde eröffnet wird, als erste vor. Nina stirbt fast den Heldentod, aber sie staunt, welche Fragen sie dank Nadine in petto hat. Erst nach ihr melden sich andere zu Wort. Walodja nimmt noch zwei Minuten auf, dann schubst er sie durch die Menge zurück zum Auto. Sie sind bereits wieder auf dem Heimweg, als die Masse der anderen zu den Wagen strömt.
    »Und wenn jetzt noch irgend etwas Wichtiges geschehen ist, und wir waren zu früh weg?« sorgt sich Nina.
    »Das Wichtige, das jetzt geschehen wird, ist, daß sie sich die Bäuche vollschlagen.«
    Sie fahren schweigend bis zum Parkplatz des Senders.
    »Okay«, sagt Walodja, während er den Wagen einparkt, »für eine blutige Anfängerin gar nicht so schlecht!«
    Von wegen blutige Anfängerin, will Nina aufbrausen, aber sie verkneift sich jeden Kommentar, bedankt sich statt dessen für die Hilfe und schwört sich, durch intensives Zeitungslesen aus dem Stadium der Halbwissenden herauszukommen.
    Der Assi reicht ihr die beschriftete Kassette für den Schnitt, Walodja verabschiedet sich mit einem kräftigen Fingerquetschen. »Aber trotzdem, Mädchen«, sagt er dabei und lächelt sie schief an, »such dir 'nen anderen Job!«
    Such dir einen anderen Job, dieser Satz zieht sie ins Bodenlose. Nina geht in die Redaktion, um die Kassette zu deponieren. Das ist oberstes Gebot. Falls der Reporter auf der Fahrt verunglücken, im Bett sterben oder sonst ein Unheil über ihn hereinbrechen sollte, muß zumindest sein letztes Werk für die Weiterbearbeitung zugänglich sein. Sie legt die Kassette zusammen mit ihrem Manuskript in ihre Schreibtischschublade und schaltet schnell den Computer ein. Vielleicht war ja wieder ein Heinzelmännchen am Werk.
    Es steht jedoch kein neuer Titel über den anderen. Mit »Nina« und drei Ausrufezeichen hatte Nadine ihre Nachricht gestern markiert. Zusammen mit Walodjas Satz erscheint es ihr fast wie Hohn. Such dir 'nen anderen Job, hört sie ihren Kameramann sagen. Wohl wahr, ihre Tage in Köln sind gezählt. Da sieht sie einen kleinen weißen Zettel neben dem Telefon. »Deine Mutter bittet um Rückruf«, steht säuberlich in Großbuchstaben darauf. Klar, denkt Nina und verzieht das Gesicht. Sie hat ihrer Mutter noch mit keinem Ton über Weihnachten berichtet. Sie seufzt. Ihrer Mutter etwas vorlügen? Das konnte sie noch nie. Auf der anderen Seite, soll sie sie mit der Wahrheit belasten? Job beim Teufel, Sven als Feind, Unterkunft in einem Pferdestall, keine Kohle, neue große Liebe schwul?
    Das kann sie ihrer Mutter nicht antun. Nicht nach all ihrer Schwärmerei, der Glückseligkeit, der Aussicht auf ein neues, unbeschreiblich schönes Leben. Und dem verschobenen Weihnachtsfest. Sie schaut auf ihre Armbanduhr. 22.30 Uhr, Tagesthemen. Schnell greift sie zum Telefon, bevor sie es sich wieder anders überlegt.
    »Kind, wo steckst du eigentlich? Seit Tagen versuche ich dich zu erreichen. Sven sagt, du seist ausgezogen. Mehr nicht. Ich mache mir Sorgen!«
    Nina schluckt und verzieht dann das Gesicht zu einem Lächeln; das wirkt sich sofort auf die Stimme aus.

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