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Die Lüge

Die Lüge

Titel: Die Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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auch nicht besser. Und anscheinend hatte er sie endlich verstanden. Jedenfalls nannte er etwas, das sich anhörte wie Zahlen, natürlich wieder auf Französisch. Sie besaß zwar genug Geistesgegenwart, zu notieren, wie es klang. Aber dann rätselte sie über die Bedeutung ihrer Notizen, erkannte nur, dass die ersten beiden Zahlen identisch und wahrscheinlich Nullen waren, und kapitulierte endlich. Einen weiteren Versuch mit Nadias Handy ersparte sie sich.
     
    Um Viertel nach vier wählte sie null drei. Sie war nicht wirklich in der Verfassung, sich heute noch einmal mit einem Fremden auseinander zu setzen, hatte auch das Gefühl, etwas Wichtiges zu übersehen, und zitterte schon beim Gedanken, Michael oder Beatrice Palewi könnten ihren Anruf entgegennehmen. Doch zumindest in dieser Hinsicht hatte sie Glück. Es meldete sich eine junge Frau – nicht mit Namen und nicht sofort. Nach dem Abheben rief sie zuerst in den Hintergrund: «Michael, kümmere dich mal um die Zentrifuge!» Dann kam ein knappes «Ja?» aus dem Hörer.
    Da Michael sich in der Nähe aufhielt, verzichtete sie darauf, sich als seine Frau zu identifizieren, sagte nur so salopp wie eben möglich: «Kann ich Kemmerling sprechen?»
    Und die Frau rief in den Hintergrund: «Danny, dein Typ wird verlangt.»
    Diese Formulierung deckte sich mit ihrer Vorstellung eines Computerfreaks, der eine Festplatte zu einem Bouillonwürfel packen konnte. Im Geist sah sie einen schlaksigen jungen Burschen nach dem Telefonhörer greifen. Danny Kemmerlings Stimme ließ keinen Schluss auf sein Alter und sonstetwas zu, weil er gegen einen plötzlich anschwellenden Lärm anschreien musste.
    Sie schrie ebenfalls, um verstanden zu werden, gab sich als Nadia zu erkennen und bat, ihrem Mann nichts von diesem Anruf zu erzählen. Denn, so erklärte sie, Michael habe ihr einen Streich gespielt, sie müsse einen Jumper setzen, wisse aber nicht genau, wohin. Danny Kemmerling versprach, sie könne sich auf seine Verschwiegenheit verlassen, er freue sich, ihr behilflich sein zu dürfen, und sei in einer Stunde bei ihr.
    Sie bedankte sich schon einmal im Voraus. Dann wanderte sie wieder durchs Haus, treppauf, treppab, nervös und zweifelnd, ob es richtig oder ein böser Fehler gewesen war, einen Mann ins Haus zu bestellen, von dem sie nur wusste, dass Nadia ihn nicht an ihren Computer lassen wollte. Aber was Nadia wollte, spielte nur noch eine untergeordnete Rolle. Sie musste unbedingt an den Computer, und dass Nadia innerhalb der nächsten Stunden heimkäme, glaubte sie nicht mehr.
    Nadia lag jetzt vermutlich irgendwo in Jacques’ Armen und amüsierte sich köstlich über die blöde Kuh, die das Märchen von der rosigen Zukunft gefressen hatte und sich abstrampelte, damit der gehörnte Ehemann noch eine Weile ahnungslos blieb. Darauf hätte sie geschworen.
    Trotzdem suchten ihre Augen in jedem Raum, den sie betrat, automatisch als Erstes die Überwachungseinheit. Im Esszimmer sah sie den zotteligen Hund von Elenor Ravatzky in wilden Sprüngen quer über die Straße in den Vorgarten hetzen. Der kleine Sohn der Schauspielerin hetzte hinterher, blickte dabei furchtsam in die Kamera, erwischte das Tier am Halsband und zerrte es zurück zum schmiedeeisernen Tor, wo beide von einer älteren Frau in Empfang genommen wurden.
    Knapp dreißig Minuten später flackerte im Kaminzimmer der winzige Bildschirm zwischen den Natursteinen auf. AmStraßenrand hielt ein flotter Zweisitzer, wie man ihn nur bei höheren Gehaltsklassen erwartete. Der Fahrer stieg aus. Und ihr Herz machte sich unangenehm bemerkbar. Der Professor, dem sie von ihren Sorgen erzählt und Karten für das Niedenhoff-Konzert versprochen hatte! Bei Carlo waren seine Sympathie und sein Bedauern für ihre Situation ganz angenehm gewesen. Aber allein mit ihm   …?
    In der Diele bellte und knurrte es. Sie meinte auf dem winzigen Monitor so etwas wie Erschrecken zu sehen, war ziemlich sicher, dass er sich vor dem Hund fürchtete und sie ihn abwimmeln konnte, bevor Danny Kemmerling erschien. «Platz!», rief sie, ging in die Diele, schloss im Vorbeigehen unüberhörbar die Küchentür, rief noch: «Und kein Laut!» Dann öffnete sie die Haustür.
    Der Professor grüßte freundlich. «Guten Tag, Frau Trenkler.»
    «Guten Tag», sagte sie. «Die Karten liegen auf dem Flügel. Moment, ich hole sie rasch.»
    «Das eilt doch nicht», sagte er, spähte über ihre Schulter und erkundigte sich: «Ist der Bursche oben?»
    «Nein, ich habe ihn in

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