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Die Lüge

Die Lüge

Titel: Die Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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ihr wie eine Faust ums Herz.
    Michael stellte sein Geschirr und die Kaffeekanne neben dem Laptop ab, setzte sich auf die Schreibtischkante und fragte: «Können wir vernünftig reden?»
    «Ob du kannst, weiß ich nicht.» Sie klickte ins nächste Verzeichnis. «Ich kann durchaus vernünftig reden.»
    «Aber anscheinend nicht mit mir. Hast du mit Kemmerling vernünftig geredet?»
    «Ich denke, schon», sagte sie.
    Er atmete tief durch; als er dann weitersprach, legte sich eine zweite Faust ums Herz. «Ich halte es unter den gegebenen Umständen für besser, wenn ich die Scheidung einreiche. Auf das obligatorische Trennungsjahr möchte ich verzichten. Es wäre mir lieber, wenn wir es kurz und schmerzlos hinter uns bringen. Wer will uns beweisen, dass wir in den letztenzwölf Monaten in einem Zimmer geschlafen haben? Wir haben genug Ausweichmöglichkeiten.»
    Sie konnte ihm kaum zuhören, klickte wahllos herum. Er lachte kurz. «Bei der Trennung vom Tisch müssen wir nicht mal lügen. Gekocht hast du ja nie für mich. Was die finanzielle Seite angeht. Schlecht kann es auf deinen Konten nicht aussehen, sonst hättest du kaum von einem Umzug gesprochen. Aber ich bin selbstverständlich bereit, dich zu unterstützen, wenn das notwendig sein oder werden sollte.»
    Sie lachte leise und ein klein wenig hysterisch. «An wie viel hast du denn gedacht? Zweitausend im Monat und die Miete für eine Dreizimmerwohnung mit Terrasse?»
    «Fünfzehnhundert», sagte er, «und die laufenden Kosten fürs Haus. Ich ziehe aus. Ich stelle nur eine Bedingung, Nadia. Du kommst nicht mehr ins Labor, rufst auch nicht mehr an, weder mich noch Kemmerling. Ich weiß, dass ich dir eine Menge schulde. Aber du hast dir nicht das Recht erkauft, mein Leben völlig kaputtzumachen.»
    Sie schaffte es, seinen Blick einzufangen und festzuhalten. «Das habe ich auch nicht vor. Ich habe Kemmerling nur angerufen, weil   …» Mit einer hilflosen Geste zeigte sie auf den Monitor, bereit, ihm dasselbe zu erzählen, was sie Jo geboten hatte. Im Vollrausch etwas geändert. «Er hat mir einen Jumper gesetzt.»
    «Haha», machte er freudlos. «Verarschen kann ich mich allein.»
    «Dann tu das», bat sie. «Tu das, bitte, und lass mich in Ruhe.» Sie konnte nicht verhindern, dass sie zu stottern begann. «Ich habe nichts Nachteiliges über dich gesagt und nichts getan, womit ich dir geschadet hätte. Gestern – ich war doch nur wütend, weil du mit der Palewi – und ich bin   …» Sie brach ab. Schwanger hatte sie sagen wollen. Aber wenn er das erfuhr und Nadia doch noch zurückkam. Nadia musstezurückkommen! Nadia konnte sie doch nicht so einfach in ihr Leben gesetzt haben wie eine Schulanfängerin in eine Universitätsvorlesung.
    «Du bist was?», hakte er nach.
    Sie löste die verkrampften Finger von der Maus. «Müde», sagte sie, «sehr müde. Lässt du mich bitte allein?»
    «Bist du mit der Scheidung einverstanden?»
    «Kann ich noch nicht sagen. Es kommt zu plötzlich. Aber ich denke darüber nach.»
    Ein paar Minuten lang saß er noch auf der Schreibtischkante, schien mit sich zu ringen, ob er noch etwas sagen sollte. Dann raffte er sein Geschirr zusammen und verließ den Raum. Sie wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte, klickte weiter, ohne etwas zu sehen. Scheidung! Auch eine Möglichkeit. Mal sehen, wenn Nadia nicht zurückkam. Aber das Haus konnte er behalten. Sein Geld müsste sie gezwungenermaßen annehmen, wenn sie ihr Kind bekommen und nicht zum Sozialfall werden wollte. Bei seinem Einkommen taten ihm fünfzehnhundert bestimmt nicht sehr weh.
    Unten hörte sie ihn rumoren. Es klang, als hantiere er in der Küche. Nie für mich gekocht. Was zum Teufel hatte Nadia dann für ihn getan? Ihm das Studium in den Staaten finanziert, ihm zu zwei Doktortiteln verholfen. Ihn damit erpresst und terrorisiert. Ihn betrogen. Ihn verlassen?
    Kurz nach acht kam er mit einem gefüllten Teller nach oben und ging ins Fernsehzimmer. Für einen Moment wehte ihr ein würziger Duft um die Nase. Es war gleich wieder vorbei, und hungrig war sie ohnehin nicht. Trotzdem schaltete sie endlich den Computer aus, ging nach unten und bereitete sich ebenfalls eine Mahlzeit zu. Nur ein Fertiggericht. Mit einem Teller folgte sie ihm.
    Er saß vorgebeugt auf der Couch. Die Augen auf den Fernseher geheftet, schnitt er große Stücke von einem fast blutigenSteak ab und führte sie zum Mund. Für das Blut auf dem Teller hatte er keinen Blick, für sie auch nicht. Auf dem

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