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Die Lüge

Die Lüge

Titel: Die Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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vorsichtig, sichder Tatsache bewusst, dass der Jaguar über ebenso viel Technik verfügte wie das verfluchte Haus.
    Auf der Autobahn herrschte dichter Verkehr. Sie hielt sich scharf rechts und grübelte, wie sie Nadia ihr klägliches Scheitern schildern könne. Dass es vorbei war, noch ehe es richtig begonnen hatte, stand außer Frage. Da hätte sie gar keine Bedenken wegen der Versicherungspolice haben müssen. Nach solch einem Reinfall konnte Nadia es sich nicht leisten, sie für längere Zeit daheim einzuquartieren. Am Ende würde sie ihr das gesamte Haus demolieren. Es war eine Niederlage, ähnlich tragisch wie ihre Fehleinschätzung bezüglich der Pistole beim zweiten Banküberfall. Es war mehr als nur peinlich – bis der Motor plötzlich ausging.
    Aus einem Reflex riss sie das Lenkrad nach rechts und schaffte es damit noch, komplett auf den Seitenstreifen zu gelangen. Danach reagierte der Jaguar nicht mehr, weder auf Lenkbewegungen noch auf einen Bremsdruck.
     
    Während der Wagen auf der Standspur ausrollte, bekam sie einen Weinkrampf. Den ersten seit dem Tod ihres Vaters. Die Scham, die Anspannung, die verlorene Hoffnung auf fünfhundert oder gar tausend Euro pro Monat, das gesamte Elend löste sich in Tränen auf. Links rauschte der Verkehr vorbei, niemand kümmerte sich um sie. Länger als eine Viertelstunde saß sie da, einen Arm auf das Lenkrad gelegt, das Gesicht in der Armbeuge verborgen. Mit dem blutbefleckten Rock sah sie aus wie einem Horrorfilm entstiegen. Irgendwann klopfte jemand an die Scheibe der Beifahrertür. Sie hob den Kopf und sah ein bärtiges Männergesicht. «Brauchen Sie Hilfe?»
    Sie nickte, wischte hektisch über Augen und Wangen und verschmierte die billige Wimperntusche. Der Bärtige ließ den Blick durchs Wageninnere schweifen und bemerkte die Blutspuren. «Sie sind verletzt», stellte er fest.
    Sie winkte ab. «Ich habe mich nur in die Finger geschnitten. Es ist das Auto, es funktioniert nicht mehr.»
    Der Mann lächelte besänftigend und gleichzeitig streng. «Das ist doch nicht so tragisch. Aber Sie hätten den Warnblinker einschalten müssen. Tun Sie das.»
    Sie betrachtete das Schaltergewirr auf der Mittelkonsole. «Wo ist denn der Warnblinker?»
    Der Bärtige stutzte. Rasch erklärte sie: «Das Auto gehört meinem Mann. Ich fahre es sonst nicht und kenne mich nicht aus mit dem ganzen Kram hier.»
    «Aha», sagte der Bärtige – ein wenig gedehnt. «Dann zeigen Sie mir mal Ihre Papiere.»
    Er öffnete die Beifahrertür, soweit die Leitplanke es ihm gestattete, griff in die Brusttasche seines Hemdes und streckte ihr einen Dienstausweis entgegen. Polizei! Das hatte ihr noch gefehlt. Sie drehte sich um, hinter dem Jaguar stand ein unauffälliger weißer Wagen. Nach Polizeifahrzeug sah es nicht aus.
    «Die Papiere, bitte», verlangte er erneut.
    Sie wollte ihm Nadias Brieftasche aushändigen. Er machte keine Anstalten, danach zu greifen. «Führerschein und Kfz-Schein genügen.»
    «Ich habe nur den Führerschein», sagte sie. «Und meinen Personalausweis natürlich.» Sie zerrte beides aus der Hülle, zwei Kreditkarten und Nadias Reisepass fielen mit heraus. Darunter steckte der Kfz-Schein für den Alfa. Sie drückte ihn zusammen mit Führerschein und Nadias Ausweis in die fordernd ausgestreckte Männerhand und erklärte: «Das hier ist mein Auto. Mein Mann hat es einfach genommen und mich eingesperrt, weil ich meine Freundin besuchen wollte. Die kann er nicht leiden.»
    Er reagierte nicht, studierte Führerschein und Kfz-Schein, ging nach vorne, schaute sich irgendetwas an, kam zurück,beugte sich wieder in den Wagen und verlangte: «Das Kennzeichen.»
    Sie wusste beim besten Willen nicht, wie er das meinte.
    «Das Kennzeichen dieses Wagens, Frau Trenkler», forderte er nachdrücklich. «Wenn es der Wagen Ihres Mannes ist, sollten Sie das kennen.»
    Aus! Es war lächerlich, wo sie sich Zahlen so gut merken konnte. Aber sie hatte in der Garage keinen Blick darauf geworfen, sich auch in der Einfahrt nicht darum gekümmert, schüttelte den Kopf. «Tut mir Leid, ich bin   …» Nicht Nadia Trenkler, wollte sie sagen und ihm alles erklären. Und dann konnte er gerne mit ihr in die Kettlerstraße fahren und sich mit eigenen Augen überzeugen, dass sie Nadia nur einen Gefallen hatte tun wollen. Doch sie kam nicht dazu, ein umfassendes Geständnis abzulegen.
    «Steigen Sie aus», unterbrach er ihre Erklärung in demselben Kommandoton, in dem Wolfgang Blasting nach dem Schalter

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