Die Lüge
sieben, ging zum Bahnhof und löste eine Wochenkarte für den Bus. Pünktlich um acht war sie zur Stelle, wurde von den drei Frauen herzlich begrüßt und ins Sortiment eingewiesen. Um halb zehn erschien ein Mann von der Geschäftsleitung, wollte aber nur wissen, was eine gelernte Bankkauffrau veranlasste, Pralinen zu verkaufen. Die beiden Banküberfälle überzeugten ihn, dass Frau Schädlich mit ihr eine gute Wahl getroffen hatte. Abschließend bat er nur, sie möge so schnell wie möglich beim Gesundheitsamt vorsprechen, damit alles seine Ordnung habe.
Als sie abends heimkam, stand der rote Alfa Spider etwa zweihundert Meter vom Hauseingang entfernt am Straßenrand. Nadia sprang ins Freie, als sie näher kam, stellte sich ihr in den Weg und verlangte: «Steig ein!»
«Ich denke nicht daran!»
Nadia griff nach ihrem Arm. «Susanne. Ich brauche dich morgen früh. Lass mich jetzt nicht hängen, bitte.»
«Nichts bitte!» Sie schüttelte Nadias Hand ab. «Und auch nichts danke. Hast du dich gefragt, wo ich hänge, als du Hardenberg auf Behringer gehetzt hast, damit die eine andere einstellen?»
«Habe ich nicht», verteidigte sich Nadia. «Es war Philipps Idee. Und wenn es nur nach ihm gegangen wäre, hättest du …»
«Verschwinde, oder ich gehe morgen zur Polizei!»
«Red doch keinen Unsinn!», fuhr Nadia auf. «Polizei! Was willst du denen denn erzählen?»
«Dass du mich umbringen lassen wolltest, und …»
Nadia unterbrach sie mit einem Seufzer. «Das war doch nicht so gemeint. Man sagt viel in der ersten Wut. Mehr als mich dafür entschuldigen kann ich nicht. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Michael mit dir schläft. Dann hielt er mir auch noch einen Vortrag, welche Hoffnungen er sich gemacht und wie sehr er es genossen hatte, dass ich mich einmal benehme wie …» Sie stockte mitten im Satz, winkte ab. «Es ist nicht sehr angenehm, sich so etwas anzuhören. Aber es war nicht deine Schuld. Als ich später darüber nachdachte …»
«Hattest du nichts Eiligeres zu tun, als mir Hardenberg auf den Hals zu hetzen», fiel sie Nadia ins Wort.
«Hetzen?», wiederholte Nadia. «Blödsinn. Philipp war nur …»
«Mit einem Schlüssel in meiner Wohnung», unterbrach sie Nadia erneut. «Er hat meine Aufzeichnungen geklaut, deine Briefe und die Fotos eingesammelt. Und ich habe jedes Wort verstanden, als er mit dir telefonierte. Eine plötzliche Herzattacke wollte er mir verpassen! Wie macht man denn so etwas?»
Darauf ging Nadia nicht ein, schüttelte nur energisch den Kopf. «Philipp hatte keinen Schlüssel. Die Tür war offen. Darüber hat er sich noch gewundert.»
Sie hätte in dem Moment nicht sagen können, ob Nadia log. Zwar war sie überzeugt, die Wohnungstür hinter sich zugezogen zu haben, als sie nach nebenan schlich. Aber hundertprozentig sicher war sie nicht, am Abend zuvor hatte sie die Tür ja auch offen gelassen. «Und was wollte er bei mir?», wiederholte sie.
«Was wohl?», erklärte Nadia gereizt. «Sich in aller Formfür meinen Ausfall entschuldigen und dich bitten, uns noch einmal zur Verfügung zu stehen. Du weißt doch, dass wir mittwochs nach Genf wollten. Er hatte sich sehr darauf gefreut und war furchtbar wütend, dass unser Arrangement an mir scheiterte, nachdem er so viel investiert hatte. Für die Kosten ist nämlich er aufgekommen. Er war vor allem wütend, weil ich mich wegen Michael und dir so aufgeregt hatte. So etwas hört er nicht gerne. Dabei hat er selbst eine Heidenangst, seine Frau könnte etwas erfahren. Er hat dann Michael angerufen und gesagt, meine Mutter hätte einen Herzinfarkt, ich sei schon auf dem Weg nach Genf. Das hat nur leider nicht funktioniert. Und deshalb …» Nadias Miene war ein einziges Flehen. «Ich brauche dich wirklich, Susanne. Nur für zwei Tage, bitte, ich zahle dir tausend pro Tag.»
Mit der Erinnerung an das, was Hardenberg in ihrer Wohnung von sich gegeben, und den Schlüssen, die sie aus seiner Wortwahl gezogen hatte, klang das glaubhaft. Dass er auch in ihren Schrank geschaut und alle verräterischen Beweisstücke an sich genommen hatte, mochte reine Vorsicht gewesen sein. Aber: «Wenn Hardenberg dein Freund ist: Wer war dann der Mann, mit dem du dich am Flughafen getroffen hast?»
«Nur ein Kunde», sagte Nadia. «Er wusste, dass Philipp nach Luxemburg fahren wollte, und hatte ihn gebeten, ein paar Unterlagen mitzunehmen. Und weil Philipp schon früh um sechs losgefahren war, blieb es an mir hängen.» Auch das
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