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Die Luft, die du atmest

Die Luft, die du atmest

Titel: Die Luft, die du atmest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Buckley
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geklingelt, um Unterschriften zu sammeln, aber Ann hatte ihn mit der Ausrede abgewimmelt, dass sie gerade essen wollten. Er hatte angekündigt, es heute Abend nocheinmal früher zu versuchen. Vielleicht würde sie diesmal eine Migräne vorschieben.
    «Kate?», fragte Maddie.
    «Was?»
    «Würdest du lieber barfuß auf eine Nacktschnecke treten oder   –»
    «Nun sag schon.»
    «–   oder mit alten Leuten Bingo spielen?», beendete Maddie hastig ihre Frage.
    Kate überlegte, wurde aber unterbrochen, als erneut eine Klingelmelodie durchs Auto tönte. Ernst wandte sie sich ihrem Handy zu und tippte rasch eine Antwort. «Wie alt?»
    «Oma-alt.»
    «Nacktschnecke. Auf jeden Fall.»
    Ann lenkte den Wagen in die Garage und stellte den Motor aus. «Okay, ihr zwei. Jetzt macht schnell eure Hausarbeiten. Und Kate, keine SMS mehr.»
    «Mom. Lass mich doch. Wir sind schon bei siebenundneunzig. Und das erst seit der sechsten Stunde.»
    «Ihr habt während der Stunde gesimst? Und deine Lehrerin hat euch die Handys nicht abgenommen?»
    Kate zuckte die Achseln. «Wir hatten eine Vertretung.»
    «Hör zu, Kate. Du musst wirklich langsam etwas für deine Noten tun. Wenn du auf die High School kommst   –»
    «Schon gut. Ich hab’s verstanden.» Kate hielt ihr demonstrativ das Handy vor die Nase und drückte auf «Aus».
    Ann ging nach der Post sehen. Der Briefkasten stand gähnend weit offen, sein Inhalt drohte, auf den Bürgersteig zu fallen. Ann hatte seit Tagen nicht daran gedacht, ihn zu leeren. Sie zerrte das viele Papier heraus und knallte die Klappe zu.
    «Hallo.»
    Libby kam mit holperndem Kinderwagen auf sie zugelaufen.Im Wagen lag Jacob, den Kopf zur Seite gedreht, die Augenlider halb zugefallen, die winzigen Finger um den Satinrand der gelben Decke geschlossen, mit der er zugedeckt war.
    Einen Augenblick stockte ihr das Herz. Da lag er. Ihr kleiner William, mit dem kaum sichtbaren goldenen Schimmer auf dem kahlen Köpfchen, die Lippen geschürzt, als wollte er pusten, die Wangen vom Schlaf gerötet. Wie sehr sie sich danach sehnte, ihn in ihre Arme zu schließen und an ihre Schulter zu legen, seinen Schmetterlingsatem an ihrem Hals und das Auf und Ab seines kleinen kräftigen Rückens zu spüren. Doch natürlich lag nicht William im Kinderwagen, sondern Jacob, der Sohn ihrer besten Freundin.
    «Guck ihn nicht so an. Er ist kein Engel.» Libby wischte sich mit einem Ärmel über die Stirn und lief weiter auf der Stelle. «Bei der Tagesmutter hat er den ganzen Tag geweint.»
    «Immer noch mit dem Zahn zugange, hm?» Eine Windbö fegte über die Straße, und Ann zog ihre Wolljacke fester um sich.
    «Er muss ja bald damit durch sein.» Libby griff nach der Wasserflasche am Lenker des Kinderwagens. «Hast du das mit dem H5N1 in Spanien gehört?»
    Keiner redete mehr von Grippe. Das Wort war zu harmlos, weil es für Zeiten stand, in denen man allenfalls über Grippe nachdachte, wenn man selbst eine hatte. Jetzt sprach man von H5N1. «Das sind nur Einzelfälle.»
    «Ja, aber es ist der dritte Ausbruch in diesem Monat.» Libby bog den Kopf nach hinten und trank.
    «Na ja, um diese Jahreszeit ist es wohl unvermeidlich, dass es hier und da zu Ansteckungen kommt.»
    «Und dass wir Alarmstufe 5 haben, macht dir keine Angst?» Libby wischte sich mit einer Hand einen Tropfen vom Kinn.
    Doch, anfangs hatte ihr das Angst gemacht. Ann hatte sichwie alle anderen beeilt, Vorräte einzulagern. Sie hatte ihre Töchter gegen Grippe impfen lassen. Aber dann hatte sich die Lage wieder beruhigt. Die Ärzte in Übersee schafften es, die Einzelfälle zu isolieren. Überall auf der Welt arbeiteten die Wissenschaftler an einem Impfstoff. Nach und nach machten wieder andere Themen Schlagzeilen. Terrorismus in Japan. Zwei vermisste Touristen. Eine E.-coli-Epidemie. Alles ging wieder seinen gewohnten Gang, im Guten wie im Schlechten.
    «Nein, eigentlich nicht. Erst wenn es größere, gleichzeitige Ausbrüche gibt, müssen wir uns Sorgen machen.»
    Libby verzog das Gesicht. «Du klingst wie Peter.» Sie hatte den Satz kaum ausgesprochen, als sie selbst über ihre Bemerkung erschrak. Ann sah ihr an, wie peinlich es ihr war.
     
    Drinnen klingelte das Telefon. «Geht eine von euch ran?», rief Ann.
    «Ich», rief Maddie.
    Ann schloss die Tür hinter sich, streifte die Schuhe ab und blätterte im Gehen die Post durch. Sie blieb bei einem dicken Umschlag von ihrer Anwältin hängen. «Hallo, Grandma», hörte sie Maddie sagen.
    Normalerweise rief ihre

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