Die Luft, die du atmest
Mühen versuchte er, ihrem Blick zu begegnen. «Pass gut auf die Mädchen auf.»
«Ja, klar.»
Du musst kämpfen, Peter. Zeig diesen Viren, wie stur du sein kannst. Das habe ich immer an dir geliebt, selbst dann, wenn es mich zur Weißglut trieb.
«Was machen deine Kopfschmerzen?»
«Sie sind ziemlich stark.» Wieder musste er husten.
«Ich hab dir Ibuprofen gebracht. Kannst du was essen oder trinken?»
«Trinken.»
«Gut.» Sie schüttelte zwei Tabletten aus dem Röhrchen, legte sie ihm in die Hand und gab ihm den Saft. Er hob den Kopf vom Kissen und schluckte, nahm sogar den Kräcker, den sie ihm hinhielt. Er gab ihr das Glas zurück, und sie stellte es auf den Nachtschrank.
«Brauchst du Hilfe, um auf die Toilette zu gehen?»
Seine Augen waren geschlossen, und sein Atem hatte zu pfeifen begonnen. «Danke, das schaffe ich noch alleine.»
Er schien einzuschlafen. Das war gut. Je mehr Ruhe er bekam, desto schneller würde er gesund werden. Schlaf war bei ihm immer das Zaubermittel gewesen. Sie blieb noch eine Weile stehen und betrachtete ihn, hörte die Kinder unten lachen und rufen. Vermutlich waren sie ein wenig überdreht, weil sie glaubten, dass sie gleich losfahren würden. Wie gerne hätte sie ihn auf die Stirn geküsst, ihm die Hand auf die Brust gelegt, gespürt, wie sie sich hob und senkte. Unwillkürlich streckte sie die Hand aus, ließ sie aber kopfschüttelnd wieder sinken. Sie durfte es nicht tun. Sie durfte nichts riskieren.
«Schau nach Barney, ja?»
«Mach dir keine Gedanken um den Hund.»
«Ann, bitte, du musst.»
«Ach, Peter, das schaff ich nicht.» Sie brauchte ihre ganze Kraft für ihn und für die Kinder. Der Hund musste sehen, wo er blieb.
Aber Peter hörte sie nicht mehr. Sie blieb noch einen Moment bei ihm stehen. Sein Atem ging regelmäßiger. Er schlief.
Draußen auf dem Flur nahm sie die Maske und die Duschkappe ab, zog die Handschuhe und das übergroße Hemd aus und ließ die Sachen auf dem Eimer liegen. Vielleicht würde siedoch die Kraft finden, sich um den blöden Hund zu kümmern. Wie schwer konnte es sein, ihm eine Schüssel mit Wasser und eine zweite mit ein paar Essensresten hinzustellen? Und das Auto würde sie vollgepackt lassen. In dem Augenblick, wo es Peter wieder besserging – vorausgesetzt, dass sonst keiner von ihnen krank wurde –, würden sie fahren. Peter hatte recht. Sie mussten sich alleine durchschlagen.
DREIUNDVIERZIG
War es der dritte Tag oder der vierte? Peter wusste es nicht. Er versuchte eine bequemere Lage zu finden, die Kissen und Decken so zu sortieren, dass seine Glieder weniger schmerzten. Die Wirkung des Ibuprofen ließ nach.
Die Sonne warf schräge Schatten an die Wände. Er konnte nicht ausmachen, ob es die ersten Morgenstrahlen waren, die über die Fensterbank krochen, oder die letzten am Nachmittag. Die Tür ging knarrend auf, und er drehte den Kopf. Ann kam ins Zimmer. Sie war wieder so lächerlich kostümiert, mit der weißen Maske und der Schutzbrille, die Haare unter der geblümten Duschkappe versteckt, dazu rosa Handschuhe und ein Hemd von ihm, das sie rückwärts trug.
«In dem Aufzug wirst du nie einen Mann finden.»
Sie lächelte, die Maske verschob sich ein wenig. «Wie gut, dass ich dich habe und du nicht weglaufen kannst.» Sie zog einen Stuhl ans Bett und nahm Platz. «Du hast deinen Saft nicht ausgetrunken.»
Er leckte sich über die Lippen. Sein Mund war trocken. Sie hielt ihm das Glas an den Mund. Der Saft war köstlich. Er schluckte.
«Meinst du, dass du diese Tabletten schlucken kannst?» Sie streckte ihm die Hand hin.
Er versuchte ihr die kleinen weißen Pillen abzunehmen, aberer bekam sie nicht zu fassen. Sie hielt ihm eine an die Lippen, und er öffnete den Mund, damit sie sie ihm auf die Zunge legen konnte. Er versuchte sie runterschlucken, musste aber würgen und spuckte sie in ihre Hand.
«Warte», sagte sie.
Sie zerdrückte die Tabletten mit dem Boden des Glases und fegte das weiße Pulver anschließend hinein. Langsam rieselte es durch den Saft.
«Was machen die Mädchen?»
«Sie spielen Poker. Maddie gewinnt. Kate ist entschlossen, sie vernichtend zu schlagen. Sie zanken sich schon den ganzen Morgen.»
«Nein, ich meine, wie geht’s ihnen?»
Sie sah ihn an. «Prima.»
«Gut.»
Sie tauchte den Strohhalm in den Saft, hielt ihn mit einem Finger oben zu und führte ihn an seinen Mund. Gehorsam machte er den Mund auf, und sie tröpfelte ihm die süße Flüssigkeit auf die Zunge.
«Der wievielte
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