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Die Luft, die du atmest

Die Luft, die du atmest

Titel: Die Luft, die du atmest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Buckley
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zusammen.»
    Wovon redete sie? Er sah sie an.
    Sie erwiderte seinen Blick. «Du hast es vergessen, stimmt’s?»
    Ihr Gesicht war traurig.
    Rasch überlegte er, aber ihm fiel nichts ein.
    «Williams Geburtstag», sagte sie. «Er wäre heute zehn geworden.»
    Das traf ihn wie ein Schlag. Zehn? Wie konnte das sein?
    Sie wandte den Kopf wieder den Jungs zu. «Meinst du, er hätte Basketball gespielt?»
    Nein. So durfte es nicht weitergehen, das ertrug er nicht. «Ann», sagte er, aber sie fuhr fort, als hörte sie ihn gar nicht.
    «Vielleicht wäre er gar nicht der sportliche Typ. Vielleicht würde er lieber Toaster auseinanderbauen oder Raketen basteln. Deine Mutter hat erzählt, du hättest sie früher verrückt gemacht mit solchen Sachen. Ich frage mich oft, ob er nach dir gekommen wäre. Ich stelle mir vor, wie er aussieht, und sehe dich in ihm, euch beide in einem kleinen Menschen. Der Anblick würde mir das Herz zerreißen.» Sie schüttelte den Kopf. «Vielleicht auch nicht. Ich weiß es nicht. Ich werde es nie wissen.»
    Er wollte nicht stehenbleiben, sich nicht in den Sog ihrer Gefühle hineinziehen lassen. Er wollte weitergehen, die kalte Herbstluft im Gesicht spüren, den Himmel nach einem weitentfernten Falken absuchen. Sein Atem ging schwer.
    Sie nickte. «Es bleibt also mir überlassen.»
    «Was heißt das?»
    «Ich werde diejenige sein, die sich erinnert. Ich werde diejenige sein, die sein Gedächtnis bewahrt.»
    «Ann, das geht so nicht. Das darfst du mir nicht antun. Du trauerst auf deine Weise. Lass mich auf meine Weise trauern.»
    «Hast du je richtig getrauert, Peter? Oder hast du bloß alles von dir weggeschoben?»
    Er ballte die Fäuste. «Hör zu. Ich habe meine Wohnung. Ich kann   –»
    Ann sah ihn an. Sie lachte, ein bitteres kurzes Lachen. «Ge nau .»
    Damit ließ sie ihn auf dem Gehweg stehen.

Bekanntmachung:
    HOLDING ORDNET SCHLIESSUNG
    DER FLUGHÄFEN AN
    Washington   – Bundesverkehrsminister Frank E.   Holding hat die unverzügliche Schließung der Lufträume im Großraum von 13   Städten durch die Federal Aviation Administration angeordnet. Betroffen sind New York, Washington, Boston, Atlanta, Miami, Chicago, Minneapolis-St.   Paul, Detroit, Denver, Las Vegas, San Francisco, Seattle und Los Angeles.
    Zivil- wie Linienflüge sind in einem Umkreis von 50   Meilen untersagt. Es besteht kein Anlass zur Annahme, dass das Verbot in näherer Zukunft wieder aufgehoben wird. Flugpassagiere, die Reisen in oder aus den betroffenen Städten beabsichtigen, werden dringend gebeten, ihre Reisepläne entsprechend zu ändern.
    Der Minister gab außerdem bekannt, dass es zu Schließungen weiterer Flughäfen kommen kann, falls sich dies wegen einer weiteren Ausbreitung der Vogelgrippe als notwendig erweisen sollte.
    Verkehrsministerium der USA
    Presseamt

VIERZEHN
    Sie deckten den Tisch im Esszimmer.
    Ann nahm die dicke Filzdecke vom Tisch und legte die glänzend rote Holzfläche frei, dann schlug sie die Falten aus dem feinen Leinentischtuch ihrer Großmutter, dessen weißer Stoff im Laufe der Jahre cremefarben geworden war. Als sie gerade das Porzellan aus der Truhe holte, kam Peter herein.
    Er stellte die Weinflasche ab und sah sich um. «Sieht toll aus, Ann.»
    Es war eine Bitte, so zu tun, als wäre alles in Ordnung. Sie trug einen Stapel der zerbrechlichen Teller zum Tisch. Er hatte recht. Sie mussten den Tag möglichst gut hinter sich bringen, das Thanksgivingfest so normal gestalten, wie es eben ging. Sie trat einen Schritt zurück und betrachtete die Tafel, das blitzende Silber und das edle Leinen, die eleganten Teller mit den dünnen Goldbändern. Sie hatte nichts vergessen. Alles war an seinem Platz. «Ich glaube, wir sind so weit», sagte sie. «Willst du alle hereinrufen?»
    Als sie saßen, entstand eine verlegene Pause, während sie und Peter sich über den Tisch hinweg ansahen und stumm miteinander berieten, ob sie sich an ihre alte Tradition halten und ein Dankgebet sprechen sollten. Weil die Gefahr bestand, dass es alte, kaum verheilte Wunden aufriss, schüttelte sie den Kopf, und er nickte.
    Peter nahm die Vorlegegabel von der Hähnchenplatte und fragte Shazia: «Gibst du mir deinen Teller?»
    Maddie griff nach der Schüssel mit der Füllung. «Kate hat einen Freund.»
    Ann sah Kate an, die heftig errötete. Was für eine schöne Neuigkeit. Es musste Scooter sein, der Junge, mit dem sie in letzter Zeit ununterbrochen gechattet hatte.
    Peter war gerade dabei gewesen, Ann Wein

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