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Die Luft, die du atmest

Die Luft, die du atmest

Titel: Die Luft, die du atmest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Buckley
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«Warum nicht? Die Schlangen dürften im Augenblick so kurz sein wie nie.»
    Ann zog eine Grimasse. «Ha-ha.»
    Er freute sich, dass er ihr ein Lächeln abgerungen hatte. Sie gingen am Haus der Singhs vorbei. Doktor Singh sammelte auf der Veranda seine Zeitung ein und schüttelte die Tropfen vom Plastikumschlag ab.
    «Hi, wie geht’s?», fragte Peter.
    «Oh, hallo, Mr.   Brooks. Schön, Sie zu sehen.» Singh nickte Ann zu. «Bin ziemlich beschäftigt, wie Sie sich denken können. Ich muss in die Notaufnahme zur Schicht.» Er befreite die Zeitung von der Plastikhülle. «Entschuldigen Sie mich also bitte.» Er ging ins Haus.
    «Er ist doch gar nicht in der Notaufnahme, oder?», fragte Ann.
    «Das stimmt. Aber vermutlich werden die Krankenhäuser von Leuten überrannt, die jeden Schnupfen gleich für die Grippe halten.»
    Walter Finn marschierte ihnen entgegen, Barney an der Leine. Der Mann sah aus, als zöge er in eine Schlacht, mit einem schweren schwarzen Ding vor der unteren Gesichtshälfte und einer dicken gummiumrandeten Schutzbrille auf der Nase. Als er sie sah, zog er an der Leine und schwenkte mit abgewandtem Gesicht zur anderen Straßenseite, als könnte allein der Blickkontakt ihm gefährlich werden. Nur Barney grinste ihnen zu, während er über das Pflaster auf den gegenüberliegenden Gehweg gezerrt wurde.
    Peter sah ihm nach. «Er sieht aus wie Dr.   Demento.»
    Wieder ein flüchtiges Lächeln von ihr. «Es heißt, dass Atemschutzmasken nichts nützen.»
    «Da sind sich die Fachleute noch nicht einig. Die Standardfilter N95 filtern alles heraus, was größer ist als null Komma drei Mikrometer, und manche Influenzaviren sind bloß null Komma null acht groß. Das jetzige allerdings scheint null Komma fünf Mikrometer groß zu sein.»
    Sie sah ihn an, dann zuckte sie die Achseln.
    «Hast du heute schon mit deiner Familie gesprochen?», fragte Peter.
    «Beth sagt, das Hotel ist vollkommen leer. Sie macht sich Sorgen, dass es bald Entlassungen gibt.»
    «Sie wird schon durchkommen. Deine Schwester hat jeden Cent gespart, den sie verdient hat.»
    «Aber sie hat so hart gearbeitet, um das zu erreichen, was sie jetzt hat.»
    «Wie geht’s deinem Vater mit der Chemo?» Es war schrecklich für ihn gewesen, erst nach Monaten von der Krebserkrankung zu erfahren. Er hatte immer ein gutes Verhältnis zu Anns Vater gehabt.
    «Die Behandlung dauert noch fünf Wochen. Erst dann werden wir wissen, ob sie was gebracht hat.»
    «Er ist ein Kämpfer. Der lässt sich nicht unterkriegen.»
    Ann schlurfte durch das raschelnde Laub. Ihre Hände waren tief in den Manteltaschen vergraben. Sie hatte rote Wangen, und ihr Haar leuchtete hell in der Sonne. Wie gern waren sie früher zusammen spazieren gegangen. Als sie sich kennenlernten, waren sie stundenlang über die schiefen Bürgersteige Georgetowns und die Sandwege am Potomac River gelaufen.
    Die untergehende Sonne spiegelte sich in den Fenstern und im Chrom eines parkenden Autos. In einer Auffahrt warfen zwei Teenager Bälle auf einen Basketballkorb. Der eine zielte und verfehlte den Korb. «Loser», höhnte der andere.
    «Peter?»
    «Mh-hm?»
    «Hat Maddie mit dir je über William gesprochen?»
    Wie kam das denn so plötzlich? Er suchte ihren Blick, aber sie sah zu den Basketballspielern. «Nein.»
    «Du hast ihr nie erzählt, was passiert ist?»
    «Nicht ausdrücklich, nein.» Es gab keinen ersichtlichen Grund, das Thema anzuschneiden. Was führte Ann im Schilde? «Wieso?»
    Ann blieb stehen. Er auch.
    «Sie hat Hannah von William erzählt. Ich hatte keine Ahnung, dass es sie beschäftigt, und ich weiß nicht, ob ich sie darauf ansprechen soll oder nicht.»
    «Das würde ich nicht tun. Warte, bis sie es tut. Sonst glaubt sie noch, es sei eine große Sache.»
    Sie sah ihn schräg von der Seite an. «Ist es doch auch.»
    Aber nicht so, wie er es gemeint hatte. «Das wollte ich damit nicht sagen, Ann. Ich bin sicher, dass sie nicht darunter leidet. Es ist normal, wenn Kinder in ihrem Alter Fragen stellen.»
    «Immer tust du meine Sorgen einfach ab.»
    Stimmte das? «Ich will das gar nicht abtun, aber du machst dir so viele Sorgen, wenn es um deine Töchter geht. Es fällt mir schwer, jede deiner Sorgen genauso wichtig zu nehmen wie du. Und dich zieht es runter, Ann. Das weißt du. Ich will mich nicht auch davon runterziehen lassen.»
    «Es zieht mich runter», wiederholte sie. Ihr Blick wanderte wieder zu den beiden Jungen. «Dieses Jahr fällt er mit Thanksgiving

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