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Die Luft, die du atmest

Die Luft, die du atmest

Titel: Die Luft, die du atmest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Buckley
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als sie mit Peter in West Virginia gezeltet hatte, und den alten schwarzen aus Peters Studienzeit,den sie ihm wirklich endlich mitgeben sollte. Na ja, jetzt war es praktisch, dass er noch da war.
    Oben im Wohnzimmer zog sie die Reißverschlüsse auf und breitete die Schlafsäcke auf den Matratzen aus. Den letzten legte sie für Shazia aufs Sofa. Nun musste sie noch die Decken von den Betten oben holen. Als sie wieder nach unten kam, saß Maddie am Küchentisch.
    «Na, Mom.»
    «Na, du.»
    Sie breitete die Bettdecken in Schichten über die Schlafsäcke, legte die oberen Kanten um und stopfte sie unter, schüttelte die Kissen auf und verteilte sie an den Kopfenden. Als alles fertig war, richtete sie sich auf und begutachtete ihr Werk. Es sah gemütlich aus. Aber die großen Fenster waren ein Problem. Sie spürte schon jetzt, wie die Kälte hereindrang. Sie würde sie noch irgendwie abdichten müssen. Mit Plastikfolie und Isolierband.
    «Das sieht aber schön aus», sagte Maddie.
    Lächelnd drehte sich Ann zu ihr um.
    Maddie hatte einen Pinsel in der Hand. Keinen dünnen Plastikpinsel mit buntem Griff, sondern einen dicken Pinsel mit Holzgriff. Ja, er sah genauso aus wie der wahnsinnig teure Zobelpinsel, den Peter ihr zu ihrem ersten Hochzeitstag geschenkt hatte. Eigentlich konnten sie ihn sich nicht leisten, aber sie hatte ihn auch nicht wieder hergeben mögen. Mit diesem Pinsel hatte sie ihr erstes Aquarellbild gemalt, mit dunklen, satten Violetttönen bis hin zu üppigem Grasgrün.
    Ann atmete tief durch. «Wo hast du den her?»
    Maddie drückte den Pinsel aufs Papier und drehte. «Aus der Schachtel.»
    «Aus welcher Schachtel?»
    «Unten.»
    «Im obersten Regal?»
    «Mm-hm.»
    Mit wenigen Schritten war Ann bei ihr. Sie riss ihr den Pinsel aus der Hand und tauchte ihn in den Wasserbecher.
    «Mom, was machst du da? Wie soll ich weitermalen?»
    Überall auf dem Tisch lagen verdrehte Farbtuben und mitten drunter eine Plastikpalette mit den Spuren der Farben, mit denen Ann vor Jahren zuletzt gemalt hatte. Sie konnte ihren Anblick nicht ertragen. «Hast du die andere Schachtel auch aufgemacht?»
    «Nein.»
    Ann griff nach der Tube Aquamarin und schraubte den Deckel zu. Auch das Umbra war offen und das Ebenholzschwarz. «Du hättest mich fragen müssen.» Sie hatte den Karton mit Klebestreifen verschlossen. Maddie hatte ihn abreißen müssen, um an die Farben zu kommen, deswegen hätte sie wissen müssen, dass sie in der Schachtel nichts zu suchen hatte. «Die sind nichts für dich.» Anns Stimme bebte vor Zorn.
    «Für wen denn?», fragte Kate von hinten.
    «Für mich.» Es schien nichts kaputt zu sein. Sie würde die Schachtel wieder zukleben und hinten im Schlafzimmerschrank verstecken.
    Maddie schob ihren Stuhl zurück. «Aber du benutzt die Sachen nie. Warum kann ich sie dann nicht haben?»
    Das Malen hatte Ann so viel Freude gemacht, aber es gehörte zu einer anderen. Die Frau, zu der sie geworden war, ertrug es nicht, die Sachen anzusehen.
    «Halt’s Maul», sagte Kate. «Sie hat’s dir doch gerade gesagt.»
    «Mom, sie hat ‹Halt’s Maul› zu mir gesagt.»
    Doch Ann hörte sie nicht.
     
    «Nicht weggehen, Mom», sagte Maddie.
    «Nein, mein Schatz, ich bleib hier.» Ann hielt die rotweiß geringelte Kerze auf dem Teller. Sie gab gerade genug Licht, dass sie etwas sehen konnten.
    Maddie zog sich das Nachthemd über den Kopf. «Bist du noch da?» Ihre Stimme klang gedämpft durch den Flanell.
    «Ja, ich bin da.»
    Maddie steckte den Kopf durch das Kopfloch und griff nach ihrem Morgenmantel.
    «Siehst du», sagte Ann. «Hier bin ich.»
    Das Kerzenlicht warf Schatten auf Maddies Gesicht, umspielte ihre runden Wangen, ließ ihre Augen groß und wachsam wirken. Ann stellte die Kerze ab und half ihrer Tochter in den warmen Morgenmantel. «Schön siehst du aus», sagte sie und band den Gurt fest zu. «Wie eine Prinzessin.» Sie hielt ihr den Arm hin. «Seid Ihr bereit, Majestät?»
    Maddie kicherte, und Ann wurde warm ums Herz.
    Eingehakt gingen sie die Treppe hinunter. Unten tanzten die Flammen im Kamin. Das Zimmer wirkte warm und gemütlich. «Siehst du?», sagte sie zu Maddie. «Wie beim Zelten. Bloß ohne Bären.»
    Sie richteten sich auf den Luftmatratzen ein, die Mädchen in der Mitte, Ann und Peter außen. Shazia rollte sich auf dem Sofa zusammen. Auf dem Tisch in der Ecke flackerte die Kerze. Ann würde noch warten müssen, bis Maddie richtig lag, bevor sie sie auspusten konnte.
    «Mir ist k-kalt», jammerte

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