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Die Luft, die du atmest

Die Luft, die du atmest

Titel: Die Luft, die du atmest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Buckley
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sämtliche Äste und Zweige, Telefonleitungen, Gehwege und Straßen mit Raureif überzogen worden. Am nächsten Morgen hatte sie mit Peter zusammen Kate auf einen Schlitten geschnallt und sie durch die Straßen gezogen. Nirgends regte sich etwas, kein Schornstein rauchte, kein Auto fuhr vorbei, keine Gardine bewegte sich, wenn sie vorbeigingen. Die ganze Welt schien in einem Zauberschlaf versunken, in Kristall erstarrt zu sein. Sie bestaunten die spitzenbesetzten Zweige und den Gehweg, der glitzerte, als wäre er aus Diamanten. Sie gingen um eine Ecke und entdeckten eine riesige umgestürzte Eiche mit ihrem großen Wurzelteller. Der dünne Mutterboden hatte die flachen Wurzeln nicht halten können. Noch die ganze Woche zerbrachen Bäume unter der Last des Eises. Es gab ein paar Auffahrunfälle und einen Hausbrand durch eine gerissene Leitung, aber die eigentlichen Opfer des Sturms waren die Ulmen und Eichen von Greensboro gewesen.
    Damals war ihnen das als furchtbare Katastrophe erschienen. Peter hatte darüber geschimpft, dass der Verkehr wegen gesperrter Straßen umgeleitet wurde, aber im Grunde war das bloß ein kleines Ärgernis. Schon bald war wieder Normalität eingekehrt. Sie hatten es alle gewusst. Bald würde alles wieder gut sein. Es war nur eine Frage der Zeit.
    Ann drückte ihrer Tochter einen Kuss auf die Schläfe und spürte das Pochen unter ihrer Haut. Tapfere Kate, die jedenMorgen ihr Parfümfläschchen aufschraubte und in den Spiegel schaute.
    Eines Tages würden ihre Töchter ihren Kindern erzählen, dass sie die Pandemie überlebt hatten. Mit ein wenig Glück würde es dann nur noch eine ferne Erinnerung sein.
     
    Es war keine Freude, die Sachen zu falten. Der Stoff war hart, die Oberfläche rau, und in einigen Kleidungsstücken hing noch der Geruch nach Rauch. Ann strich einen Ärmel glatt, legte ihn über und formte ein Rechteck. Das Shirt kam in Peters Korb. Das Schlimmste waren die Jeans. Sie beschwerte sie nach dem Zusammenlegen mit Büchern, um sie zu glätten. Dieses Paar wanderte in Kates Korb.
    Ein leises Klappern sagte ihr, dass das Wasser kochte. Sie sah zum Kamin hin. Endlich stieg Dampf aus dem Topf. Es hatte fast eine Stunde gedauert. Auf dem Grill war es so viel schneller gegangen. Nächstes Mal würden sie das Wasser früher aufsetzen müssen.
    «Peter», sagte sie und griff nach der Wäscheschüssel. «Es ist so weit. Shazia, würdest du bitte das Essen aufsetzen?»
    Shazia stand auf und ging in die Küche, um den Topf zu holen, der dort schon bereitstand. Spaghetti und Hackklößchen. Ihre letzte Dose.
    Peter hob den großen Topf aus den Flammen und trug ihn nach oben. Das Wasser schwappte über. Sie hatte Angst, dass er sich verbrühen würde, aber er las ihre Gedanken und zerstreute die Sorge mit einem Lächeln.
    «He, ihr zwei», sagte Ann, «wir kommen jetzt rein.»
    Kate und Maddie standen im Bademantel im Bad und machten beide saure Gesichter. Peter leerte den Topf in die Wanne, in der schon kaltes Wasser stand. Er nickte Ann zu und ließ sie allein.
    «Warum kann ich nicht allein baden?», fauchte Kate.
    Ann tat es leid, ihr auch das noch zu nehmen. Schon morgens hatte Kate mit Entsetzen die vier Stücke Klopapier entgegengenommen, die Ann ihr zuteilte. Dann hatte Ann vor der Tür gewartet, bis die Spülung ging, hatte die Tür aufgemacht und ihr einen Tropfen Seife auf die Hand gegeben.
    «Wir müssen sparsam mit dem heißen Wasser umgehen.» Ann tauchte zwei Waschlappen ein. Das Wasser war warm und angenehm auf der Haut.
    «Wir haben tonnenweise Wasser.»
    «Aber nicht tonnenweise Holz. Nun kommt, meine Kleinen. Ihr badet doch sonst so gerne.» Ann rieb feste Seife auf die Waschlappen und drückte sie aus, damit die Seife schäumte. Sie sang: «Alle meine Entchen, quak, quak, quak, quak, quaaak   …»
    Kate stöhnte. «Hör auf, Mom, bitte. Wir sind doch keine Babys mehr.» Aber sie streifte den Bademantel ab und versetzte ihm einen Tritt, dass er über den Boden segelte.
    «Nicht gucken.» Maddie zerrte an ihrem Gürtel.
    «Als ob.» Kate zog sich die Socken aus.
    «Du auch nicht, Mom.» Maddie begann schon vor Kälte zu zittern.
    «Nein, natürlich nicht», versprach Ann, obwohl es unmöglich war, nicht hier und da einen Blick auf die blassen, schlanken Körper ihrer Töchter zu erhaschen. Schrecklich dünn waren sie geworden.
    Sie hatte ihre Kinder seit einer Ewigkeit nicht mehr nackt gesehen. Vor mindestens zwei Jahren hatte Maddie verkündet, dass sie von nun an

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