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Die Luft, die du atmest

Die Luft, die du atmest

Titel: Die Luft, die du atmest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Buckley
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mit großen Löchern, wo die Augen gewesen waren, und mit höhnisch gebleckten Zähnen.
    «Das ist Al.» Singh ließ den Strahl ein wenig weiterwandern, und Peter erspähte einen zweiten Schädel und ein Stück einer gekrümmten Wirbelsäule mit dunklen Sehnensträngen. «Und das Kleinere ist Sue.»
    Betroffen wandte Peter den Kopf ab. Es kam ihm ungehörig vor, näher hinzusehen. Er musste daran denken, wie begeistert Jodi an Thanksgiving ihrer Mutter entgegengelaufen war. Wie Sue gelacht hatte und wie Al seiner Frau einen Arm um die schlanke Taille gelegt hatte und sie ihrer tanzenden Tochter zum Haus gefolgt waren, alle drei heilfroh, zusammen und zu Hause sicher zu sein. Er schluckte.
    Singh schüttelte den Kopf. «Erst ihre kleine Tochter. Und nun dies.»
    Peter spürte, dass ihm die Tränen über die Wangen liefen. Er versuchte gar nicht erst, sie aufzuhalten oder wegzuwischen. Er verbarg sein Gesicht in den Händen.
    Singh trat zu ihm. Seite an Seite standen sie im Rauch unter dem Nachthimmel zwischen den Resten der Glut, die im Schneematsch ein letztes Mal aufglühten.
    Schließlich rieb sich Peter das Gesicht. «Sind sie im Rauch erstickt?»
    Singh sah Peter von der Seite an. «Das können wir nur hoffen, aber wissen werden wir das nie. Sie werden nie in eine Leichenhalle kommen.»
    Peter räusperte sich. «So weit sind wir also?»
    «Wir haben bald keine Medikamente mehr. Die Leichenhallen sind überfüllt. Vor zwei Tagen ist unser Klinikchef gestorben.»
    «Wir können sie nicht einfach hier liegen lassen.»
    «Wenn alles abgekühlt ist, werde ich sehen, was man verwahren kann, für den Fall, dass Verwandte sie eines Tages begraben wollen.» Singh schüttelte den Kopf. «Wenigstens waren sie nicht allein.»
    Bis auf die Knochen durchgefroren, kehrte Peter schließlich heim. Sein nassgeschwitzter Rücken war eiskalt geworden. Er wuchtete den aufgerollten Schlauch in die Garage. Bleierne Müdigkeit überkam ihn. Ein Hund bellte, dann schoss eine dunkle Silhouette vorbei. Er glaubte Barney zu erkennen, der in der Nacht verschwand. Vermutlich hatte er einen Schlafplatz gesucht, und er hatte den armen Köter verscheucht. Es hatte keinen Zweck, ihn wieder herbeilocken zu wollen. Sicher war er längst über alle Berge.
    Mit lautem Gerassel zog er die Garagentür zu. Er quälte sich aus seinen Stiefeln, entledigte sich der äußeren Schichten seiner Kleidung und breitete sie in einer Ecke der Garage zumTrocknen aus. Als er bibbernd die Tür aufmachte, war im Haus alles dunkel.
    «Peter, bist du das?», rief Ann.
    «Bin gleich da.»
    Er tastete sich zum Hauswirtschaftsraum vor und wusch sich mit klappernden Zähnen. Er hatte Kopfschmerzen. Er fand eine Hose, die Ann gewaschen und zum Trocknen aufgehängt hatte. Auch ein Bademantel hing da, und er zog ihn über. Als er in die Küche trat, sah er das Licht vom Kamin. Früher hatte er als Einziger in der Familie Feuer machen können.
    Die vier saßen im rötlichen Schein des Feuers auf den Schlafsäcken, Schatten tanzten auf ihren Gesichtern, als sie ihm entgegensahen. Er setzte sich zu Ann, und sie reichte ihm einen Teller.
    Er hielt ihn sich unter die Nase und schnupperte. Es half nichts. Er roch nichts als Rauch. Sah aus wie Kräcker mit irgendwas obendrauf. Er biss von einem ab, kaute und schluckte mühselig, weil seine Kehle so trocken war. Er hatte keinen Hunger. «Was ist das?»
    «Thunfisch», sagte Ann und sah ihn an. Sie reichte ihm einen kleinen glatten Karton.
    Er kniff die Augen zusammen.
    «Da ist Saft drin», sagte Maddie mit glücklicher Stimme. «Mom hat ihn für uns aufbewahrt. Weil heute Heiligabend ist.»
    Ach ja. Das hatte er ganz vergessen.
    «Geht das schon wieder los?», stöhnte Kate.
    «Halt den Mund», entgegnete Maddie.
    «Wann wohl der Weihnachtsmann kommt», höhnte Kate weiter. «Hoffentlich hat Rudolph nicht die Grippe. Sonst kann das dauern.»
    «Kate», mahnte Ann leise.
    Aber Kate ließ sich nicht bremsen. «Ich hab’s mir überlegt», sagte sie. «Ich glaube, ich wünsche mir ein iPhone. Und du, Maddie? Was soll dir der Weihnachtsmann bringen?»
    Maddie sah zu Ann auf. «Soll das heißen, es gibt dieses Jahr kein Weihnachten?» Ihr standen Tränen in den Augen.
    «Schsch.» Ann tätschelte Maddies Knie. «Weißt du, wie wir manchmal Geburtstage später feiern?»
    «Mm-hmm.»
    «So ist das dieses Jahr auch mit Weihnachten.»
    «Weiß Jesus, dass wir seinen Geburtstag verschieben?», fragte Kate.
    «Schluss jetzt», fuhr Peter sie

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