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Die Luft, die du atmest

Die Luft, die du atmest

Titel: Die Luft, die du atmest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Buckley
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an, und sie wich überrascht zurück.
    Er pellte den Strohhalm aus dem Zellophan und versuchte ihn in das winzige Loch zu stecken. Seine Finger waren steif vor Kälte, und das Flackern des Feuers machte es nicht leichter.
    Shazia hielt die Hand auf. «Kann ich dir helfen?» Sie nahm ihm das Zellophan ab und piekste den Strohhalm ins Loch.
    Er trank. Die Flüssigkeit rann ihm kalt und süß die Kehle hinab. Aber auch das konnte den Geschmack nach Asche nicht überdecken.
    «Wie ist es ausgebrochen?», fragte Ann.
    «Wahrscheinlich durch den Campingherd. Singh meint, wahrscheinlich haben sie damit geheizt.»
    Alle schwiegen.
    «Sind sie   … tot?» Maddies Stimme schwankte.
    «Schatz   –», begann Ann, doch Maddie unterbrach sie. «Alle, Dad? Jodi auch?»
    Über ihre jungen Gesichtern zuckte der Feuerschein. Kate starrte mit schmalen Augen und zugekniffenen Lippen zu Boden und stocherte mit ihrer Gabelspitze in den Gummisohlen ihrer Schuhe. Maddie sah ihn mit großen tränenerfülltenAugen an. Sanft sagte er: «Weißt du, man muss sehr gut aufpassen, wenn man drinnen im Haus so einen Herd benutzt. Wir würden das niemals tun.»
    «Das stimmt», sagte Ann.
    Kate bohrte die Gabel in ihren Schuh.
    Jetzt war die Wahrheit über Jodi heraus, wenn auch anders als erwartet. Vielleicht war es so am besten. Vielleicht war es besser, wenn die Mädchen glaubten, Jodi sei im Feuer umgekommen. Er konnte das nicht beurteilen. Er wusste es nicht. Die Mädchen hatten sich nicht im Geringsten anmerken lassen, wie viel sie mitbekommen hatten. Ann hatte recht behalten. Es war beunruhigend, wie wenig Kate und Maddie sich dazu äußerten.
    Maddie rieb sich die Nase. Dann ließ sie sich auf Anns Schoß fallen, und ihre Schultern bebten. Ann umschlang sie fest und küsste sie auf den Kopf. «Schsch», sang sie leise. «Nicht weinen, Kleines. Es wird alles wieder gut.»
    Kate schleuderte ihre Gabel in die Ecke, dass es klapperte, und stand auf.
    Es war seine Schuld. Er hätte nicht so ungehalten reagieren dürfen. Er wollte hinter ihr her, doch Ann sagte: «Gib ihr ein paar Minuten allein.»
    Eine Tür knallte.
    Maddie schluchzte: «Ich hasse Kate.»
    «Pscht», machte Ann und strich ihr die nassen Locken aus dem Gesicht. «Das meinst du gar nicht so.»
    «Doch, genau so meine ich das. Ich hasse sie. Ich wünschte, sie wäre nie geboren.»
    Anns Schultern strafften sich für einen Augenblick, dann zog sie Maddie noch enger an sich.
    Eine ganze Familie war ausgelöscht. Peter langte zu Maddie hinüber und nahm ihre Hand.
    Das Feuer hatte die Nachbarn aus dem Haus gelockt. Einen Teil von ihnen. Sie waren eine kleine Gruppe gewesen, kleiner, als er erwartet hätte. «Hast du Libby oder Smith gesehen?»
    Ann schüttelte kaum merklich den Kopf, ohne ihn anzusehen. Sie saß Wange an Wange mit Maddie und schaukelte sie leise summend in ihren Armen. Er sah Shazia an. Sie schüttelte den Kopf, ihr Gesicht lag im Schatten.
    Merkwürdig. Peter hätte gedacht, dass Smith der Typ wäre, der als einer der Ersten zu Hilfe eilte.

ZWEIUNDZWANZIG
    Wo waren sie?
    Ann stand auf der Terrasse und sah zu Libbys Haus hinüber. Von den schwelenden Resten des Hauses auf der anderen Straßenseite wehte noch immer Rauchgeruch herbei. Der Schnee um sie herum war mit Ruß gesprenkelt.
    Vielleicht war Libby auf dem Weg zu ihren Eltern, die ein Lehmhaus in den Bergen von New Mexico hatten. Sie würde Jacob aus dem Kindersitz nehmen und ihn ihrer Mutter überreichen, glücklich, bei ihnen zu sein. «Frohe Weihnachten», würde Libby sagen, und Smith würde den Arm um ihre Schultern legen, bevor alle zusammen ins Haus gingen.
    Ann stellte sich vor, wie es wäre, wenn sie selbst bei ihren Eltern ankäme. Ihre Eltern würden fröhlich lachend in der Haustür stehen, und hinter ihnen würden die bunten Lichter im Tannenbaum glitzern. Maddie würde vor Freude auf und ab hüpfen, und Kate würde sich von ihnen umarmen lassen. Ihr Vater würde darauf bestehen, ihnen die Koffer zu tragen. Ann würde ihn schimpfend davon abhalten.
    Hör auf damit, mahnte sie sich.
    Ihre Eltern waren nicht zu Hause. Sie waren in Charlottesville. Vorausgesetzt, sie hatten die Reise erfolgreich hinter sich gebracht. Natürlich hatten sie das. Beth war klug. Sie wardurchsetzungsfähig und wusste, was sie wollte. Sie ließ sich durch nichts und niemanden von ihrem Weg abbringen.
    Die Ungewissheit war grausam. Es gab so vieles, das sie nicht wusste. Die Stille, das Schweigen, erdrückte sie. Es hallte

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