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Die Luft, die uns traegt

Die Luft, die uns traegt

Titel: Die Luft, die uns traegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Hinnefeld
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rasche, wütende Schlucke aus ihrem Glas zu nehmen. »Und dann auch noch in den vermutlich am stärksten mit Giftstoffen verseuchten Staat im ganzen Land. Vielleicht wird an der Küste alles besser, aber das möchte ich ernstlich bezweifeln. Wie wahrscheinlich ist das, mal ehrlich, wenn man sich ansieht, was alles in die Delaware Bay gekippt wird?«
    »Addie.« Er stand jetzt ebenfalls auf und hielt sie am Arm fest, damit sie stehen blieb. Langsam ging ihm die Geduld aus, und er konnte sich nicht verkneifen zu sagen: »Wenn Richards Krankheit tatsächlich das Ergebnis von Umwelteinflüssen wäre – und du weißt, ich bin davon überzeugt, dass es eine genetische Störung ist und nichts, was hätte verhindert werden können –, aber selbst wenn es, wie du immer behauptest, in irgendeinem Zusammenhang zu ihrem damaligen Wohnort stünde, dann spielt es jetzt wohl kaum noch eine Rolle, wo sie leben. Es ist nun mal passiert.«

    Da starrte sie ihn an, und als er den rasenden Zorn in ihren Augen las, wünschte er wieder einmal, er könnte lernen, diese Erklärungen für sich zu behalten, die sie so in Rage brachten. Sie knallte ihr Glas auf den Tisch, verschüttete dabei den Inhalt und wandte sich zur Tür.
    »Addie, bitte. Du weißt, es bringt nichts zu…«
    Und dann plötzlich weinte sie. Blieb vor der Tür stehen und senkte den Kopf, die Schultern bebend vor Schluchzen. Er trat zu ihr, und sie vergrub das Gesicht an seiner Schulter.
    Denn ja, natürlich wusste sie, dass es nichts brachte, all ihr Toben und Schimpfen. Es brachte nichts, und es hatte sogar ihrer Beziehung zu Cora geschadet, diese Wut, diese wilde Empörung über mögliche Ursachen für Richards Krankheit. Jahrelang schon war ihr Kontakt eher sporadisch, selbst ein wenig förmlich. Seit Addie sich vor zehn Jahren auf die Bucks County Mothers for the Earth eingelassen hatte, fiel es sowohl Cora als auch Lou schwer, das wusste Addie, ihre wütenden Tiraden zu ertragen, ihre eindeutige Missbilligung ihrer gesamten Lebensweise, angefangen mit ihrem Wohnort bis hin zu dem, was sie ihren Kindern zu essen erlaubten.
    An diesem wundervollen Ort, nach einem ganzen Monat erfüllender Arbeit konnte Addie das jetzt klarer erkennen. Und sie erkannte, wie sehr sie ihre alten Freundinnen vermisste, besonders Cora.
    »Ich habe keine Ahnung, wie ich darauf reagieren soll«, sagte sie schließlich, wischte sich die Nase ab und hielt Coras Brief in die Luft. »Was kann ich denn sagen?«
    »Warum rufst du nicht einfach an und sagst, dass du dich über ihren Umzug freust und dass wir gern auf dem Heimweg aus Maine bei ihnen vorbeikommen würden?«, schlug er vor. Er wischte ihr die Tränen weg und küsste sie dann auf beide Wangen. »Wir könnten auch dem Leuchtturm in Cape
May einen Besuch abstatten«, sagte er. »Um der alten Zeiten willen.«
    Sie versuchte zu lächeln. »Fang bloß bitte nicht wieder von Forschungsurlauben an«, sagte sie. »Stell dir vor, wie schrecklich Cape May inzwischen sein muss, mit all den verdammten Touristen und der ganzen Bebauung entlang der Küste. Es ist bestimmt ganz anders, weißt du, völlig überlaufen von den ganzen Goretex tragenden Vogelheinis, von denen keiner einen blassen Schimmer hat, wie es dort vor zwanzig Jahren …«
    »Addie.« Seine Stimme klang ruhig und müde. Und außerdem warnend.
    Sie schluckte herunter, was auch immer ihr auf der Zunge lag, holte tief Luft und blickte aufs Meer hinaus. »Ich werde vorsichtig sein«, sagte sie dann still. »Ich rufe sie jetzt an und frage, ob wir vorbeikommen dürfen. Mehr werde ich nicht sagen. «
    Als Addie ins Haus ging, setzte Tom sich wieder. Bestimmt war das der richtige Vorschlag gewesen, hoffte er. Besser, wenn Addie Cora persönlich vor sich hatte. Das verringerte die Gefahr, dass sie eine ihrer Predigten hielt.
    Er beobachtete Scarlet, die sich umdrehte und den steinigen, gewundenen Pfad hinaufzusteigen begann. Wie viel leichter würden ihre eigenen kommenden Schuljahre werden?, fragte er sich. Sie musste sich zwar nicht um jemanden wie Richard kümmern, aber er und Addie waren nicht die einfachsten Eltern, das war ihm bewusst. Das heißt, er befürchtete es. Und doch schien ihre Lebensweise Scarlet nicht zu stören. Sie liebte das Reisen genauso sehr wie Addie und er, und der Nisky Creek und ihre Freunde aus der Nachbarschaft schienen ihre Tage auszufüllen und ihr zu genügen. Doch wie lange noch würde sie zufrieden mit ihren Eltern wegfahren, mit ihnen
lachen, morgens in

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