Die Luna-Chroniken, Band 1: Wie Monde so silbern (German Edition)
kommt, weil wir trauern.«
Kai blieb stehen. Er sah sich auf dem Flur um, beugte sich ganz nah zu Cinder und senkte die Stimme. »Hör mal, ich weiß es sehr zu schätzen, dass du mit den Medidroiden hilfst, und ich bin mir sicher, dass die beste Mechanikerin der Stadt Prioritäten bei den Millionen zu erledigenden Jobs setzen muss, aber auf die Gefahr hin, wie ein verwöhnter Prinz zu klingen: Könnte ich dich bitten, dass du Nainsi ganz oben auf deine Liste setzt? Ich werde langsam nervös, ich brauche sie unbedingt. Ich …« Er zögerte. »Ich glaube, ich könnte jetzt die moralische Unterstützung meiner Lehrerin aus Kindertagen gebrauchen. Verstehst du?« Er sah sie durchdringend an. Er wollte, dass sie wusste, dass er log. Und dass das alles gar nichts mit moralischer Unterstützung oder kindlicher Anhänglichkeit zu tun hatte.
Die Panik in den Augen des Prinzen sprach Bände. Die Androidin musste ungeheuer wichtige Informationen gespeichert haben. Aber wie konnte das mit der Königin von Luna zusammenhängen?
»Selbstverständlich, Eure Hoheit. Entschuldigung, Prinz Kai. Ich sehe sie mir an, sowie ich nach Hause komme.«
Sie meinte, trotz all seiner Sorgen Dankbarkeit in seinem Blick zu erkennen. Kai deutete auf die Tür mit dem Schild »Dr. Dmitri Erland«. Er öffnete die Tür und ließ ihr den Vortritt.
Dr. Erland saß an einem lackierten Schreibtisch über einen Netscreen gebeugt, der in die Oberfläche eingelassen war. Als er Kai sah, sprang er auf die Füße, nahm die Mütze ab und kam um seinen Schreibtisch herum auf sie zu.
»Eure Hoheit – es tut mir so leid. Was kann ich für Euch tun?«
»Nichts, vielen Dank«, sagte Kai gewohnheitsmäßig. Dann richtete er sich auf, überlegte noch einmal und sagte: »Finden Sie ein Gegenmittel.«
»Ich bin dabei, Eure Hoheit.« Er setzte die Mütze wieder auf. »Ich bin dabei.« Die Überzeugung im Gesicht des Arztes war erstaunlich, aber auch tröstend. Cinder fragte sich sofort, ob er in den Stunden, seit sie ihn zuletzt gesehen hatte, etwas Neues herausgefunden hatte.
Sie dachte an Peony, ganz allein in der Quarantänestation. Obwohl es schrecklich war, so etwas zu denken, und sie sich sofort dafür schämte, konnte sie es nicht ändern – nun, wo Kaiser Rikan tot war, war Peony die Erste, die das Gegenmittel erhalten würde.
Kai räusperte sich. »Ich bin unten im Flur auf Ihre hübsche neue Mechanikerin gestoßen, und sie hat mir erzählt, dass sie den Medidroiden noch einmal überprüfen will. Sie wissen, dass ich Ihnen jederzeit Mittel für ein paar neuere Modelle bereitstelle, sollten Sie welche benötigen.«
Cinder stutzte bei dem Wort »hübsch«, aber Kai und Dr. Erland beachteten sie gar nicht. Sie wippte vor und zurück und sah sich um. Ein Panoramafenster bot einen phantastischen Ausblick auf die üppigen Palastgärten und die Stadt dahinter. In einem offenen Regal standen allerlei ungewöhnliche, neue und alte Objekte: ein Stapel Bücher – keine Portscreens, sondern schwere Papierbücher; säuberlich beschriftete Gläser mit Blättern und getrockneten Blumen oder in Formaldehyd eingelegten Tieren; Gesteinsbrocken, Metalle und Erze, ebenso sorgfältig etikettiert.
Das Büro eines Wunderarztes und das eines berühmten königlichen Wissenschaftlers.
»Nein, nein, sie mussten einfach nur gewartet werden«, log Dr. Erland so mühelos wie am Vortag. »Nichts Gravierendes, und ich würde nur ungern ein neues Modell programmieren. Davon abgesehen, wenn wir keine schlecht funktionierenden Androiden hätten, hätten wir auch keine Entschuldigung, Linh Cinder ab und zu in den Palast zu bitten.«
Cinder starrte den Arzt gekränkt an, aber Kai lächelte.
»Doktor«, sagte Kai, »ich habe ein Gerücht gehört, dass eine Art Durchbruch gelungen sein soll. Ist da etwas dran?«
Dr. Erland zog die Brille aus der Tasche und begann, sie mit dem Saum seines Laborkittels zu putzen. »Mein Prinz, Ihr solltet es besser wissen, als solchen Gerüchten hinterherzulaufen. Ich möchte Euch auf gar keinen Fall Anlass zur Hoffnung geben, bevor ich Genaueres weiß. Aber wenn ich belastbare Ergebnisse habe, so werdet Ihr der Erste sein, der den Bericht zu sehen bekommt.« Damit setzte er sich die Brille auf die Nase.
Kai vergrub die Hände in den Taschen und schien zufrieden. »Gut. Wenn das so ist, verlasse ich Sie jetzt und hoffe, dass Ihr Bericht bald auf meinem Schreibtisch landet.«
»Das könnte schwer werden, Eure Hoheit, wenn man bedenkt,
Weitere Kostenlose Bücher