Die Luna-Chroniken, Band 1: Wie Monde so silbern (German Edition)
könnte sie nicht mehr von Eurer Seite weichen. Sowie Ihr Euch aus ihrem Einflussbereich entfernen würdet, könntet Ihr beweisen, dass die Ehe nicht rechtmäßig geschlossen worden ist. Das würde sie nicht riskieren.«
»Sie meinen, Sie hoffen, dass sie es nicht riskieren würde?«, fragte Kai nicht sonderlich beruhigt.
»Was ist mit Levanas Tochter, Prinzessin Winter?«, fragte Präsident Vargas. »Sollten wir nicht einmal über sie sprechen?«
»Stieftochter«, sagte Torin. »Und was gibt es in Hinsicht auf die Prinzessin von Luna zu besprechen?«
»Warum können wir nicht mit ihr ein Heiratsbündnis schmieden?«, fragte Königin Camilla. »Schlimmer als Levana kann sie nicht sein.«
Torin faltete die Hände auf dem Tisch. »Prinzessin Winter ist nicht Levanas Tochter, und ihr Vater war bloß ein Palastwächter. Sie ist nicht von königlichem Geblüt.«
»Aber Luna würde ein eheliches Bündnis mit ihr doch zu schätzen wissen«, sagte Kai. »Oder etwa nicht?«
Torin seufzte. Er machte ein Gesicht, als wünschte er, dass Kai den Mund gehalten hätte. »Politisch vielleicht, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass Königin Levana heiraten und einen Erben ihrer Linie zur Welt bringen muss. Eine schwierige Lage. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie ihr Einverständnis zur Heirat ihrer Stieftochter gibt, solange sie selbst noch auf der Suche nach einer passenden Verbindung ist.«
»Gibt es denn keine Hoffnung«, fragte der afrikanische Premierminister, »dass die Lunarier Prinzessin Winter irgendwann als Königin anerkennen?«
»Nur wenn man sie von ihrem Aberglauben abbringen kann«, sagte Torin, »und wir wissen alle, wie fest der in ihrer Kultur verankert ist. Sie bestehen auf einem Erben aus der königlichen Linie.«
»Und was geschieht, wenn Levana keinen Erben bekommt? Was tun sie dann?«
Kai warf seinem Berater einen Seitenblick zu und hob eine Augenbraue.
»Das weiß ich nicht«, antwortete Torin. »Bestimmt gibt es in der königlichen Familie jede Menge entfernte Cousins, die nur allzu gerne ihren Thronanspruch geltend machen würden.«
»Wenn Levana also heiraten muss«, sagte der südamerikanische Gesandte, »und sie nur den Kaiser des Asiatischen Staatenbundes heiraten will, der Kaiser sich aber weigert, sie zu heiraten, was dann? Eine Pattsituation.«
»Vielleicht«, sagte Generalgouverneur Williams, »macht sie dann ihre Drohungen wahr.«
Torin schüttelte den Kopf. »Wenn sie einen Krieg beginnen wollte, hätte sie schon viele Gelegenheiten dazu gehabt.«
»Es scheint jedoch klar zu sein«, schoss der Generalgouverneur zurück, »dass sie den Wunsch hat, Kaiserin zu werden. Wir wissen nicht, was sie für den Fall geplant hat, dass …«
»Wir haben durchaus eine Vorstellung davon«, sagte Präsident Vargas mit belegter Stimme. »Ich fürchte, wir müssen nicht weiter spekulieren, ob Levana beabsichtigt, Krieg gegen die Erde zu führen. Unsere Quellen lassen vermuten, dass ein Krieg nicht nur wahrscheinlich ist, sondern unmittelbar bevorsteht.«
Betroffenheit verbreitete sich im Saal.
»Falls unsere Theorien stimmen«, sagte Präsident Vargas, »plant Levana innerhalb der nächsten sechs Monate, gegen Europa vorzurücken.«
Kai nestelte an seinem Hemdkragen herum. »Was für Theorien?«
»Es sieht alles danach aus, als hätte Levana eine Armee aufgestellt.«
Die Konferenzteilnehmer schwiegen verwirrt.
»Der Mond hat schon seit längerem eine Armee«, sagte Premierminister Bromstad. »Das ist unumstritten und keineswegs neu. Wir können kaum verlangen, dass sie den Unterhalt ihrer Armee ganz aufgeben, sosehr wir uns das auch wünschen mögen.«
»Es handelt sich nicht um eine normale Armee aus Soldaten und Thaumaturgen«, erwiderte Präsident Vargas. »Und mit einer Armee, wie wir sie hier auf der Erde kennen, hat das auch nichts mehr zu tun. Hier sind einige Fotografien, die unsere Spione aus der Umlaufbahn aufnehmen konnten.«
Das Gesicht des Präsidenten wurde ausgeblendet und von einem unscharfen Foto ersetzt, das offensichtlich aus großer Entfernung geschossen worden war, ein Satellitenfoto ohne Sonnenlicht. Trotzdem konnte Kai auf dem grobkörnigen Bild viele Reihen stehender Männer ausmachen. Er blinzelte, als ein vergrößerter Ausschnitt daraus auf dem Schirm aufflackerte, der vier Männer von hinten und oben zeigte – bis er erschrocken feststellen musste, dass das gar keine Männer waren. Die Schultern waren zu breit und gewölbt. Die kaum erkennbaren
Weitere Kostenlose Bücher