Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition)
Wolf.
Der ihnen zu Hilfe kam.
Ihr war schwindelig. Sie konnte nicht glauben, dass sie ihn wirklich sehen wollte, nach allem, was er ihr angetan hatte.
Aber er hatte ihr den Chip gegeben. Und außerdem war er stark. Stark genug, um ihre Großmutter zu tragen. Wenn es Wolf war, wären sie gerettet …
Sie sah seinen Schatten auf den Boden fallen, bevor er auf der Schwelle stand.
Es war Ran. Und er lächelte.
Scarlet schluckte. Sie hielt sich standhaft auf den Beinen und war entschlossen, sich ihre Furcht nicht anmerken zu lassen. Auch wenn irgendetwas an ihm anders war. In seinem Blick lag Erbarmungslosigkeit und Hunger. Er verschlang Scarlet mit den Augen, als sei sie ein besonderer Leckerbissen, auf den er sich schon lange gefreut hatte.
»Na, meine kleine Füchsin, wie bist du denn aus deiner Zelle herausgekommen?«
Ein Beben durchlief sie von Kopf bis Fuß.
»Lassen Sie meine Enkelin in Ruhe.« Die brüchige Stimme ihrer Großmutter klang etwas kräftiger. Michelle versuchte sich aufzusetzen, aber vergeblich.
Scarlet hockte sich wieder neben sie und drückte ihr die Hand. »Grand-mère … bitte sei still.«
»Ich erinnere mich an Sie.« Michelle starrte Ran an. »Sie waren einer von denen, die mich entführt haben.«
»Grand-mère …«
Ran kicherte gehässig. »Gutes Gedächtnis für so eine antike Schabracke.«
»Mach dir keine Sorgen, Scarlet«, sagte Michelle. »Er ist nur ein Omega. Wahrscheinlich haben sie ihn zurückgelassen, weil er zu schwach zum Kämpfen ist.«
Ran bleckte seine langen Reißzähne. Scarlet wich zurück.
»Ich bin geblieben«, knurrte er, »weil ich hier noch etwas zu erledigen habe.« Er blitzte sie aus glühenden Augen an – voller Hass, ungezähmt und unbeherrscht.
Scarlet stellte sich schützend vor ihre Großmutter.
»Sie sind doch nur eine Marionette«, sagte Michelle, der vor Anstrengung die Augen zufielen. »Nur eine Marionette des Thaumaturgen. Sie haben Ihnen die Gabe genommen und aus Ihnen allen Ungeheuer gemacht, aber trotz Ihrer Stärke, Ihrer geschärften Sinne und Ihrer Blutgier sind Sie der Niedrigste von allen und werden es auch immer bleiben.«
Scarlets schwirrte der Kopf. Großmutter sollte aufhören, ihn so zu reizen. Auch wenn Scarlet wusste, dass es keine Rolle mehr spielte. Ran war die Mordlust ins Gesicht geschrieben.
Er brach in ein heiseres Lachen aus, dann stellte er sich in die Tür und blockierte den Ausgang. »Da täuschst du dich, du alte Schachtel. Wenn du so viel weißt, warum weißt du dann nicht, was aus einem Rudelmitglied wird, das sein Alphatier tötet?« Er wartete ihre Antwort nicht ab. »Es nimmt den Platz des Alphatiers ein.« Er grinste. »Und ich habe herausgefunden, dass mein Bruder – mein Alpha – eine Schwäche für eine gewisse …« Er unterbrach sich und sah Scarlet an.
»Was für ein naiver junger Mann sind Sie doch.« Michelle hustete. »Sie sind schwach. Sie werden nie etwas anderes als ein wertloser Omega sein. Das kann selbst ich erkennen.«
Scarlet sah, wie sich die Wut in Ran aufbaute, spürte, wie ihn der Ärger übermannte. »Grand-mère!«
Doch dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen.
»Halt! Sie meint das gar nicht so.« Sie hasste sich selbst dafür, dass sie zu betteln begann, aber ihr war alles egal. »Sie ist alt, sie ist im Delirium, bitte hör nicht auf s–«
Mit Schaum vor dem Mund sprang Ran in die Zelle, packte Scarlet bei den Haaren und zerrte sie von ihrer Großmutter fort.
Sie kreischte wie am Spieß und krallte sich an seinem Arm fest, aber er schleuderte sie wie eine Puppe in die Ecke. »Nein!«
Michelle brüllte gellend auf, als Ran sie bei der Kehle packte. Im Bruchteil einer Sekunde hatte er sie gegen die Wand gedrückt. Sie war viel zu schwach, um sich zu wehren.
» LASS SIE LOS !« Scarlet hechtete auf Ran zu, warf sich auf seinen Rücken, nahm ihn in den Schwitzkasten und drückte ihm die Luft ab. Als Ran sich noch nicht einmal die Mühe machte, sie abzuschütteln, kratzte sie ihm blutige Striemen ins Gesicht und versuchte, an seine Augen zu kommen.
Ran heulte auf, ließ Michelle los und warf Scarlet gegen eine Wand. Sie fühlte den Aufprall kaum. Sie achtete nur auf die schlaffe, bandagierte Gestalt ihrer Großmutter.
»Grand-mère!«
Sie sahen sich an und Scarlet erkannte sofort, dass ihre Großmutter nie wieder aufstehen würde. Sie brachte nur noch ein »Lau…« über die eingerissenen Lippen. Und dann nichts mehr. Sie sah weiterhin zu Scarlet herüber. Aber
Weitere Kostenlose Bücher