Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition)
und Gänge in das Untergeschoss abgingen. Scarlet wusste, dass die Türen rechts zu den Gefängniszellen führten, also wandte sie sich nach links. Ein Becken mit einer versiegten Fontäne bildete den Mittelpunkt zwischen zwei Freitreppen. In einer Nische ruhte die Bronzefigur einer notdürftig bekleideten Schönheit auf einem Sockel, eine der wenigen Statuen, die die langen Jahre der Vernachlässigung unbeschadet überstanden hatten.
Scarlet schoss auf die gegenüberliegende Treppe zu, auch wenn sie sich fragte, ob es nicht reiner Selbstmord war, wieder in die Lobby zurückzurennen. Aber sie wollte auch nicht hier unten in der Falle sitzen.
Am Fuß der Treppe angekommen, stolperte sie über den niedrigen Rand des ausgetrockneten Wasserbeckens und fiel der Länge nach hinein.
Ran war schon über ihr, bevor sie ganz auf dem Boden lag, vergrub seine Nägel in ihren Schultern und schleuderte sie dann über die zerbrochenen Fliesen. Als sie von unten in seine glühenden Augen blickte, in die Augen eines mordlustigen Wahnsinnigen, fiel ihr ein, wie Wolf beim Kämpfen im Ring ausgesehen hatte.
Die Furcht drückte ihr die Kehle zu. Sie konnte noch nicht einmal schreien.
Er packte ihr T-Shirt und hob sie hoch. Obwohl sie seine Handgelenke fest umklammert hielt, war sie wie erstarrt. Er kam ihr ganz nah. Sein Atem stank ekelerregend. Nach vergammeltem Fleisch und Blut – nach so viel Blut – Grand-mère …
»Wenn es nicht so ein widerlicher Gedanke wäre, würde ich das ausnutzen, wo wir beide doch so allein sind«, knurrte er und Scarlet schauderte. »Nur um das Gesicht meines Bruders zu sehen, wenn ich ihm davon erzähle.« Er heulte auf, dann schmiss er sie gegen die Statue.
Sie krachte mit dem Kreuz gegen den Sockel. Schmerzen explodierten in ihrer Wirbelsäule und nahmen ihr den Atem. Keuchend griff sie sich an die Brust und rang verzweifelt nach Luft.
Ran duckte sich sprungbereit und bleckte die Zähne. Speichel tropfte ihm aus dem geöffneten Mund.
Ihr drehte sich der Magen um. Sie drückte sich in die Ecke zwischen der Statue und der Wand. Wollte sich verstecken. Verschwinden.
Er sprang.
Sie kauerte sich zusammen, aber Ran landete nicht vor ihr.
Scarlet hörte Kampfschreie, gefolgt von einem dumpfen Aufprall. Knurren.
Sie ließ die bebenden Arme sinken.
Undeutlich nahm sie im Wasserbecken zwei ineinander verbissene Gestalten wahr, denen Blut über die angespannten Muskeln tropfte.
Mühsam atmete sie ein und war froh, als sich ihr Brustkorb weitete, dann zog sie sich an der Statue hoch. Alles brannte vor Schmerz.
Mit zusammengebissenen Zähnen zog sie die Beine heran und bekämpfte die Schmerzen, bis sie sich heftig atmend gegen die bronzene Göttin lehnen konnte.
Wenn sie es schaffte, hier hinauszukommen, bevor der Kampf vorbei war …
Ran nahm den anderen Mann in den Schwitzkasten, dessen smaragdfarben glühende Augen sich für den Bruchteil einer Sekunde in Scarlets Herz bohrten. Dann schleuderte er Ran wie ein Wurfgeschoss über seinen Kopf.
Der Boden dröhnte von Rans Aufprall, doch Scarlet bemerkte es kaum.
Wolf.
Es war Wolf.
40
Ran rappelte sich wieder hoch. Sofort sprangen die beiden Männer auseinander, sie schienen nur so zu strotzen vor Energie. Scarlet glaubte fast, sie unter der Haut kochen sehen zu können. Wolf stand geduckt da, er blutete aus klaffenden Wunden. Seine Hände zuckten.
Ran bleckte die Zähne.
»Auf deinen Posten, Ran«, befahl Wolf knurrend. »Sie gehört mir.«
Ran schnaubte empört. »Soll ich vielleicht zusehen, wie du mir Schande machst, mir und unserer ganzen Familie? Mit deinem plötzlichen Mitleid. Du bist wirklich das Allerletzte.« Er spuckte einen Blutklumpen vor ihm aus. »Unser Auftrag heißt töten. Also geh zur Seite, damit ich sie töten kann, wenn du sie nicht selbst erledigst.«
Scarlet warf einen Blick über die Schulter. Das Treppengeländer war hier so niedrig, dass sie hätte darüberklettern können, doch beim bloßen Gedanken daran tat ihr der Rücken weh. Sie versuchte ihre Hilflosigkeit abzuschütteln und kroch bis zum Rand der Fontäne.
»Sie gehört mir«, wiederholte Wolf mit tiefer, drohender Stimme.
»Ich will mich nicht mit dir über einen Menschen streiten, Bruder«, sagte Ran. Aber die Abscheu stand ihm ins Gesicht geschrieben und ließ sein Einlenken wie Hohn erscheinen.
»Dann lass sie einfach in Ruhe.«
»Sie fällt in meine Zuständigkeit. Du hättest deinen Posten ihretwegen nicht verlassen dürfen«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher