Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition)
würde Königin Levana mit Cinder als ihrer Gefangenen nach Luna zurückkehren. Dieser Übereinkunft hatte Kai zugestimmt.
Denn auf dem Ball hatte Kai sich gezwungen gesehen, eine Entscheidung zu treffen, und er hatte Levanas Heiratsantrag ein für alle Mal ausgeschlagen. Er war entschlossen, sein Volk niemals einer solch herzlosen Imperatorin auszusetzen, und zu dem Zeitpunkt war Cinder sein letzter Trumpf gewesen. Frieden im Tausch gegen den Cyborg. Die Freiheit seines Volkes für das Mädchen aus Luna, das es gewagt hatte, die Königin herauszufordern.
Unmöglich vorherzusehen, wie lange so eine Abmachung halten würde. Levana weigerte sich, den Friedensvertrag zu unterschreiben, der Luna und die Union Erde zu Verbündeten machte. Sie wollte entweder Imperatorin oder Invasorin sein und würde sich nicht lange durch das bloße Opfer eines Mädchens besänftigen lassen.
Und das nächste Mal hätte Kai ihr nichts anzubieten.
Er raufte sich die Haare und versuchte sich auf einen Vertragszusatz auf seinem Netscreen zu konzentrieren. Er hatte den ersten Satz schon dreimal gelesen, aber er konnte ihm keinen Sinn abgewinnen. Er musste an etwas anderes denken, bevor ihn die immergleiche Frage in den Wahnsinn trieb.
Eine monotone Stimme unterbrach sein Grübeln. »Der königliche Berater Konn Torin und der Vorsitzende des Nationalen Sicherheitskomitees, Huy Deshal, bitten um Audienz.«
Kai warf einen Blick auf die Uhr. 06:22.
»Einlass gewährt.«
Die Türen glitten zur Seite. Beide Männer trugen die übliche Kleidung, wenn Kai sie auch noch nie in so einem unordentlichen Aufzug gesehen hatte. Es war offensichtlich, dass sie sich in aller Eile angezogen hatten. Die dunklen Schatten unter Torins Augen verrieten Kai, dass dieser nicht mehr Schlaf bekommen hatte als er selbst.
Kai erhob sich zur Begrüßung und klopfte leicht auf den Netscreen, damit er wieder im Schreibtisch verschwand. »Sie sind früh auf den Beinen.«
»Eure Kaiserliche Majestät«, begann der Vorsitzende Huy nach einer tiefen Verbeugung, »ich bin froh, dass Ihr schon wach seid. Ich bedaure, Euch mitteilen zu müssen, dass es eine Sicherheitsverletzung gegeben hat, die Eure sofortige Aufmerksamkeit verlangt.«
Kai erstarrte. Terrorangriffe, Demonstrationen … eine Kriegserklärung Levanas? »Was? Was ist geschehen?«
»Ausbruch aus dem Gefängnis von Neu-Peking«, sagte Huy. »Vor rund achtundvierzig Minuten.«
Kai hob die Schultern. »Ein Gefängnisausbruch?«, fragte er mit einem Blick auf Tonn Korin.
»Zwei Häftlinge werden vermisst.«
Kai stützte sich mit den Fingerspitzen auf der Schreibtischplatte ab. »Gibt es denn für solche Fälle keine festgelegten Einsatzpläne?«
»Doch, selbstverständlich, im Allgemeinen schon. Aber hier liegen außerordentliche Umstände vor.«
»Inwiefern?«
Die Falten um Huys Mund traten noch deutlicher hervor. »Eine der Entflohenen ist Linh Cinder, Eure Majestät. Die Lunarierin.«
Kai wurde es schwindelig. Sein Blick fiel auf den Cyborg-Fuß, aber er riss sich zusammen. »Wie?«
»Ein Team untersucht bereits die Aufzeichnungen der Sicherheitsschaltzentrale, um die näheren Umstände zu klären. Soweit wir wissen, hat sie einen Wärter mit ihrem Zauber manipuliert und dazu gebracht, sie in eine andere Zelle zu verlegen. Und von dort ist es ihr gelungen, durch das Lüftungssystem zu entkommen.« Verlegen hielt Huy zwei durchsichtige Tüten in die Höhe. In der einen befand sich eine Cyborg-Hand, in der anderen ein kleiner, blutverkrusteter Chip. »Und das haben wir in ihrer Zelle gefunden.«
Bei diesem Anblick war Kai wie vom Donner gerührt. Die abgetrennte Hand faszinierte ihn so sehr, wie sie ihn abstieß. »Ist das ihre Hand? Warum sollte sie sie zurücklassen?«
»Wir sind noch dabei, die Einzelheiten zu klären. Mit Gewissheit können wir aber schon sagen, dass sie bis zur Anlieferungsstation des Gefängnisses gelangt ist. Wir sichern in diesem Moment alle Fluchtrouten von dort.«
Kai trat an das Panoramafenster mit Blick auf den westlichen Palastgarten, in dem der Morgentau auf den schwankenden Gräsern glitzerte.
»Eure Majestät«, schaltete sich Torin nun ein, »ich würde Euch dringend anraten, Militärverstärkung anzufordern, um die Entflohenen aufzuspüren.«
Kai massierte sich die Schläfen. »Das Militär?«
Torin antwortete bedächtig. »Es ist in Eurem eigenen Interesse, alles in Eurer Macht Stehende zu tun, um ihrer habhaft zu werden.«
Kai konnte nur mit Mühe
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