Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition)
Sonnenlicht flutete herein.
Irgendwas hämmerte gegen den Schiffsrumpf.
»Ja, ich höre dich doch!« Thorne betätigte die Zündung.
Die Lichter der Instrumententafel flackerten, als die Triebwerke von Stand-by in den Betriebszustand wechselten.
»Und auf geht’s.«
Wieder krachte etwas gegen die Einstiegsluke. Thorne legte ein paar Schalter um, stellte den Hover-Modus ein und das Schiff wurde von den Magnetfeldern unter der Stadt abgestoßen. Es segelte leicht in der Luft wie der Flugschirm einer Pusteblume. Thorne atmete erleichtert aus.
Dann begann das Schiff zu kippeln.
»Hoppla! Langsam! Bitte nicht!«, schrie Thorne mit rasendem Puls und versuchte das Schiff zu stabilisieren.
»Die Batterie ist fast leer. Du musst die Notfall-Schubdüsen aktivieren.«
»Die Notfall-Schubdüsen? Was um Himmels will– oh, vergiss es, ich hab sie gefunden.«
Der Motor heulte auf. Mit einem plötzlichen Ruck legte sich das Schiff auf die Seite. Thorne hörte es knirschen, als es das benachbarte Schiff rammte. Der Albatros erbebte und schwebte wieder hinunter. Kugelhagel steuerbord. Thorne lief der Schweiß den Rücken hinab.
»Was treibst du da oben?«
»Hör auf, mich abzulenken!«, schrie er und drückte den Steuerknüppel zur Seite. Das Schiff neigte sich bedrohlich auf die andere Seite.
»Du bringst uns um!«
»Es ist nicht so einfach, wie es aussieht!« Thorne brachte das Schiff ins Gleichgewicht. »Normalerweise habe ich eine Stabilisierungsautomatik!«
Zu seiner Überraschung kam kein sarkastischer Kommentar über die Lautsprecher.
Einen Augenblick später leuchtete ein anderes Kontrollinstrument auf. MAGNETSTABILISATOREN EINGESCHALTET . 37/63 … 38/62 … 42/58 …
Das Schiff schwebte nun ruhig nach oben. »Genau! Weiter so!«
Thornes Fingerknöchel wurden weiß, als er die Nase des Schiffs auf die Luke im Dach zulenkte. Die Triebwerke heulten wieder auf, eine letzte Salve Kugeln prallte vom Rumpf ab – und dann stießen sie durch das Dach der Lagerhalle in das grelle Licht der Sonne.
»Komm schon, Süße«, murmelte er mit zusammengekniffenen Augen, als das Schiff das Magnetfeld der Stadt durchbrach und mit ganzer Kraft der Schubdüsen durch die dünnen Wölkchen schoss, die sich in der Morgenluft gebildet hatten. Die hoch aufragenden Wolkenkratzer der Innenstadt von Neu-Peking verschwanden in der Ferne. Dann war er allein mit dem Himmel und dem unendlichen Raum.
Thornes Finger umklammerten den Steuerknüppel wie eiserne Fesseln, bis das Schiff die Erdatmosphäre durchbrochen hatte. Leicht schwindelig regelte er die Kraft der Schubdüsen, bis das Schiff die Umlaufbahn erreicht hatte. Er nahm die Hände vom Steuerknüppel.
Zitternd ließ er sich in den Sitz zurücksinken. Es dauerte lange, bevor er seine Stimme wiedergefunden und sein Herzschlag sich normalisiert hatte. »Gute Arbeit, Cyborg-Mädchen«, sagte er dann. »Falls du auf eine Festanstellung in meiner Mannschaft aus bist – du hast den Job.«
Die Lautsprecher blieben stumm.
»Ich denke da nicht an eine untergeordnete Position. Die des Ersten Offiziers wäre noch zu haben. Na ja, eigentlich alle durch die Bank. Mechanikerin … Köchin … oder Pilotin, damit ich das nicht noch einmal durchmachen muss.« Er wartete. »Cinder? Bist du noch da?«
Als sie noch immer nicht antwortete, stemmte er sich aus dem Sitz und stolperte aus dem Cockpit, am Frachtraum vorbei und in den engen Korridor, der zu den Kajüten der Mannschaft führte. Ihm wurden die Knie weich, als er sich durch die Luke zum unteren Deck des Schiffs zwängte und die Leiter in den winzigen Vorraum zwischen dem Maschinenraum und dem Dock der Beischiffe hinunterkletterte. Auf dem Schirm neben dem Maschinenraum wurden keine Warnungen über ein Allvakuum oder Luftdruckverluste gemeldet. Aber es verriet auch nichts über ein lebendes Mädchen.
Thorne berührte das Icon zum Öffnen der Tür, drehte am Handknauf und stemmte sich gegen die schwere Metallplatte.
Im Maschinenraum war es laut und heiß. Es roch nach verbranntem Gummi.
»Hallo?«, rief er in die Dunkelheit hinein. »Cyborg-Mädchen? Bist du hier?«
Falls sie eine Antwort gab, gingen ihre Worte in dem Lärm unter. Thorne schluckte. »Licht … anmachen?«
Eine rote Notbeleuchtung über der Tür warf düstere Schatten über die riesige zirkulierende Maschine und den Haufen von Kabeln und Drahtspulen darunter.
Thorne kniff die Augen zusammen, als er eine fast weiße Figur am Boden liegen sah.
Er ließ sich
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