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Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition)

Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition)

Titel: Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marissa Meyer
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Leute?
    Sie setzte Kaffee auf.
    »Wolf«, flüsterte sie, als das Wasser langsam durch den Filtereinsatz hochstieg. Sie kostete das Wort aus. Ein wildes Tier, ein Raubtier, ein Ärgernis. Ein scheues Tier, das die Menschen nicht verstanden.
    Er machte sie nervös. Sie brauchte nur daran zu denken, wie er diesen Venator beinahe vor all diesen Zuschauern umgebracht hatte, bevor er wie ein Besessener ins Feld geprescht war. Gestern hatte sie geglaubt, dass das Geheul kurz nach dem Kampf von einem echten Wolf stammte, der die Gegend unsicher machte – nach dem jahrhundertealten Artenschutzgesetz waren sie keine Seltenheit mehr –, aber heute war sie gar nicht mehr sicher.
    Mein Kampfname ist Wolf.
    Sie stellte die Pfanne und den Teller ins Spülbecken und ließ kaltes Wasser darüberlaufen, während sie den Blick über die schwankenden Maispflanzen schweifen ließ. Bald würde das Leben auf dem Hof erwachen. Arbeiter, Androiden und genetisch veränderte Bienen würden über die Felder schwärmen.
    Sie schenkte sich Kaffee ein, bevor er ganz aufgebrüht war, goss etwas frische Milch hinein und setzte sich wieder an den Tisch.
    Wölfe
    Das Bild eines grauen Wolfs mit angelegten Ohren und zurückgezogenen Lefzen erschien auf dem Bildschirm. Sein Fell war mit Schneeflocken gesprenkelt.
    Scarlet wischte mit dem Finger über den Schirm und sah sich die nächsten, freundlicheren Bilder an: Wölfe, die mit ihren Gefährten herumtollten, schlafende, ineinander verknäulte Welpen, majestätische grauweiße Wölfe, die durch herbstlich gefärbtes Unterholz stromerten. Sie klickte auf die Seite einer Gesellschaft für Arterhaltung und überflog den Text, bis sie zu dem Abschnitt über das Heulen kam.
    Wölfe heulen, um sich im Rudel zu behaupten, ihr Revier zu kennzeichnen oder um ihr Rudel wiederzufinden. Der Alpharüde heult am aggressivsten. Vor einem Angriff pirscht er sich mit rauem Heulen an die Beute an.
    Scarlet lief es kalt den Rücken herunter und sie verschüttete etwas Kaffee. Fluchend stand sie auf, um ihn wegzuwischen. Sie ärgerte sich, dass so ein blöder Artikel sie dermaßen erschrecken konnte. Glaubte sie denn tatsächlich, dass der verrückte Straßenkämpfer versucht hatte, mit seinem Rudel zu kommunizieren?
    Sie warf das Handtuch ins Spülbecken und klickte auf einen Link über die Hierarchie im Rudel.
    Wölfe streifen in Rudeln umher, die zwischen sechs und fünfzehn Mitglieder umfassen und eine feste Hierarchie haben. Ganz oben in der Hierarchie stehen Alphamännchen und -weibchen, die sich miteinander paaren. Oft zeugen nur die Alphatiere Nachwuchs. Die anderen Rudelmitglieder helfen bei Fütterung und Aufzucht der Welpen.
    Die Männchen bestimmen ihren Rang durch ritualisierte Kämpfe: Ein Wolf fordert den anderen heraus. Im Kampf entscheidet sich, welcher dem anderen überlegen ist. Durch wiederholte Siege erlangt der Überlegene Respekt und wird zum Rudelanführer.
    Nach ihnen kommen die Betawölfe, die oft für die Jagd und den Schutz der Welpen zuständig sind.
    Der Omegawolf hat den niedrigsten Rang und wird oft wie ein Sündenbock behandelt und vom Rest des Rudels gequält. Häufig streunen die Omegawölfe an den Grenzen des Reviers umher. Manche verlassen ihr Rudel sogar.
    Auf dem Hof hörte sie aufgeregtes Gackern.
    Scarlet legte den Port zur Seite und spähte zum Fenster hinaus. Ihr wurde mulmig.
    Über den Hof fiel der Schatten eines Mannes, vor dem die Hühner davonstoben.
    Als habe er ihren Blick gespürt, hob Wolf den Kopf und sah Scarlet direkt in die Augen.
    Sie wirbelte herum, kämpfte gegen ihre aufsteigende Panik und schnappte sich Michelles Flinte aus der Nische unter der Treppe.
    Wolf hatte sich nicht vom Fleck gerührt, als sie die Haustür aufriss. Die Hühner waren ihm schon näher gekommen und pickten um ihn herum nach Körnern.
    Scarlet legte das Gewehr an und entsicherte es.
    Falls ihn das überraschte, ließ er es sich nicht anmerken.
    »Was willst du hier?«, brüllte sie ihn an. Die Hühner gackerten laut.
    Nichts erinnerte an den Wahnsinn des gestrigen Kampfes, selbst die blauen Flecken waren kaum noch zu erkennen. Er wirkte gelassen und vollkommen unbeeindruckt, auch wenn er ihr nicht näher kam.
    Nach langem Schweigen hob er die Hände über den Kopf. »Es tut mir leid. Jetzt habe ich dich schon wieder erschreckt.« Als wollte er das wiedergutmachen, wich er ein paar Schritte zurück.
    »Dafür scheinst du ein besonderes Talent zu haben«, sagte sie trocken. »Lass die

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