Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition)
als interessierte sie sich dafür.
»Ich habe mit zwölf angefangen zu kämpfen.«
Sie sah ihn an. Wolf starrte die Wand an, starrte ins Nichts.
»Für Geld?«
»Nein. Es ging um Status. Ich war erst ein paar Wochen im Rudel, als mir deutlich wurde, dass ich ein Niemand bleiben würde, wenn ich nicht kämpfen und mich verteidigen würde. Du wirst gepiesackt und lächerlich gemacht … Du wirst mehr oder weniger zum Diener, und du kannst nichts dagegen tun. Es gibt nur eine Möglichkeit zu verhindern, dass du ein Omega wirst, und die heißt Kämpfen. Und Gewinnen. Darum mache ich es. Darum kann ich es so gut.«
Sie runzelte die Stirn, bis es wehtat, aber sie konnte ihm nicht entspannt zuhören. »Omega«, murmelte sie. »Wie in einem richtigen Wolfsrudel.«
Er nickte und zupfte an seinen ungepflegten Fingernägeln herum. »Ich habe gesehen, wie viel Angst du vor mir hattest. Und das war ja nicht nur Angst – du warst richtig abgestoßen. Zu Recht. Du sagst, du willst die ganze Geschichte hören, bevor du über andere urteilst, dass du es erst verstehen willst. Bitte: Das ist meine Geschichte. So habe ich Kämpfen gelernt. Ohne Gnade.«
»Aber du gehörst nicht mehr zu der Gang. Du musst nicht mehr kämpfen.«
»Was sollte ich denn sonst tun?«, sagte er mit einem halbherzigen Grinsen. »Ich kann sonst nichts. Bis gestern wusste ich ja noch nicht einmal, was eine Tomate ist.«
Scarlet unterdrückte ein Lächeln. Seine Mutlosigkeit war fast liebenswert. »Aber jetzt weißt du es«, sagte sie. »Und vielleicht lernst du morgen etwas über Brokkoli. Nächste Woche kennst du dann schon den Unterschied zwischen Kürbis und Zucchini.«
Wolf blitzte sie wütend an.
»Ich meine es ernst. Du bist doch kein Hund, dem man keine neuen Tricks mehr beibringen kann. Du kannst irgendwas anderes lernen. Wir finden schon was für dich.«
Wolf raufte sich die Haare. »Aus dem Grund habe ich dir das nicht erzählt«, sagte er etwas ruhiger, aber immer noch entmutigt. »Sobald wir in Paris sind, ist es sowieso egal, aber mir war es wichtig, dass du weißt, dass es mir keinen Spaß gemacht hat. Ich hasse es, wenn ich mich nicht mehr beherrschen kann. Ich habe es schon immer gehasst.«
Der Kampf blitzte in Scarlets Erinnerung auf. Wie Wolf den anderen Kämpfer schlagartig losgelassen hatte. Wie er von der Bühne gehechtet war, als wollte er vor sich selbst davonlaufen.
Sie schluckte. »Warst du einmal ein … ein Omega?«
Er sah gekränkt aus: »Natürlich nicht!«
Scarlet hob eine Augenbraue. Wolf schien sein arroganter Ton einen Augenblick zu spät aufzufallen. Offensichtlich war er immer noch sehr mit seinem Status beschäftigt.
»Nein«, sagte er jetzt etwas weicher, »ich habe alles darangesetzt, nie ein Omega zu werden.« Dann stand er auf und sah wieder auf die Weinhänge hinaus.
Scarlet spitzte die Lippen; sie fühlte sich irgendwie schuldig. Sie hatte fast vergessen, was für ein Risiko Wolf einging, weil sie nur daran gedacht hatte, wie sie ihre Großmutter befreien konnte. Sicher, Wolf hatte die Gang verlassen, aber jetzt fuhren sie wieder zu ihnen zurück.
»Vielen Dank, dass du dich darauf eingelassen hast, mir zu helfen«, sagte sie nach einem langen Schweigen. »Die Leute standen ja nicht gerade Schlange vor meiner Tür.«
Er zuckte steif mit den Achseln, und als deutlich war, dass er nichts sagen würde, seufzte Scarlet und zappte wieder durch die Kanäle. Sie stoppte, als sie einen Nachrichtenticker sah.
SUCHE NACH GEFLOHENER LUNARIERIN LINH CINDER HÄLT AN.
Sie schoss hoch. »Geflohen?«
Wolf wandte sich um, las die Nachrichtenzeile und sah sie verwundert an. »Wusstest du das etwa nicht?«
»Nein. Wann?«
»Vor ein oder zwei Tagen.«
Scarlet war völlig von den Nachrichten gefangen genommen. »Ich hatte nicht den leisesten Schimmer. Wie ist das möglich?«
Auf dem Bildschirm sah man wieder die Aufzeichnungen vom Ball.
»Angeblich hat ihr jemand geholfen. Ein Regierungsangestellter.« Wolf lehnte sich gegen die Ablage am Fenster. »Man fragt sich ja schon, was man in so einer Situation tun würde. Wenn ein Lunarier Hilfe braucht und man ihm helfen könnte, auch wenn man dadurch seine Familie und sich selbst gefährdet. Was würdest du tun?«
Scarlet hörte ihm kaum zu. »Ich würde meine Familie für nichts auf der Welt in Gefahr bringen.«
Wolf sah betreten auf den billigen Teppich hinunter. »Deine Familie? Oder Michelle?«
Sie ging vor Wut fast an die Decke, als sie an ihren Vater
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