Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition)
abgesehen …« Sie unterbrach sich, als sich sein Verband langsam rot färbte. Er hatte sie mit dem verletzten Arm zu fassen bekommen. »Du blutest.«
Sie wollte den Verband prüfen, aber er griff fest nach ihrer Hand, fast zu fest. Scarlet war wie festgenagelt unter seinem fassungslosen Blick. Er keuchte noch immer. Und sie zitterte noch immer, sie konnte nicht aufhören.
Sie nahm nichts anderes mehr wahr, nur den peitschenden Fahrtwind und Wolf, der so verletzlich wirkte, als könnte er durch die kleinste Bewegung in tausend Stücke zerspringen.
»Alles in Ordnung«, versicherte sie ihm, zog ihn mit dem freien Arm zu sich herab, rollte sich in der Geborgenheit seines Körpers zusammen und legte den Kopf an seinen Hals. Sie merkte, wie er schluckte, dann umschlang er sie und drückte sie an seine Brust.
Der Zug fuhr nach Westen, zu beiden Seiten verschwammen die Wälder. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, bis ihr Adrenalinspiegel gesunken war und ihre Atmung sich wieder normalisiert hatte. Bis ihre Lungen sich nicht bei jedem Atemzug verkrampften. Sie lag in Wolfs Armen wie in einem Schraubstock. Der einzige Beweis, dass er aus Fleisch und Blut, nicht aus Stein gemacht war, war sein warmer Atem an ihrem Ohr.
Als sie endlich aufgehört hatte zu zittern, löste Scarlet sich aus seiner Umklammerung. Widerwillig ließ er sie los, traute sich aber nicht, sie anzusehen.
Aus seinem Entsetzen war Verlangen geworden. Und Unsicherheit und Angst, große Angst, die sie aber nicht darauf zurückführte, dass sie um Haaresbreite vom Zug geschleudert worden wäre.
Ihre Lippen brannten; sie hob den Kopf und sah ihn an.
Aber er wich zurück und ein kalter Wind fegte zwischen ihnen hindurch. »Wir müssen runter, bevor der nächste Tunnel kommt«, sagte er mit rauer Stimme.
Scarlet setzte sich auf und wurde rot. Sie überkam der fast unwiderstehliche Drang, auf ihn zuzurobben – nicht um vom Dach des Zuges zu gelangen, sondern um ihn wieder in den Arm zu nehmen. Um noch einen Augenblick geborgen, warm und zufrieden zu sein.
Sie kämpfte das Gefühl nieder. Wolf sah nicht zu ihr herüber, und er hatte Recht. Hier oben waren sie nicht sicher.
Sie bewegte sich zum vorderen Teil des Waggons, auf allen vieren, um das Schlingern des Zuges auszugleichen. Wolf hielt sich dicht neben ihr, ohne sie zu berühren, aber immer in ihrer Reichweite, um sie notfalls festzuhalten.
Als sie vorne ankamen, schwang sich Wolf auf die Plattform zwischen den Waggons hinunter. Zu seinen Füßen die Tasche, die Scarlet fast vergessen hatte. Jetzt lachte sie, überrascht, wie sicher er gelandet war.
Und hätte sie ihn vorhin nicht direkt vor dem Sprung geküsst, wäre er bestimmt auch dort nicht aus dem Gleichgewicht geraten.
Ihre Nerven begannen wieder zu flattern. War sie wirklich der Grund gewesen, warum er sich nicht hatte konzentrieren können?
Sie saß mit baumelnden Beinen auf dem Dach. »Du Aufschneider«, sagte sie, streckte ihm die Hände entgegen und sprang in seine Arme. Er fing sie unendlich sanft auf, ließ sie auf die Plattform hinab und hielt sie eine Sekunde zu lange fest, nachdem sie wieder Boden unter den Füßen hatte – oder nicht lange genug.
Dann zog er die Stirn in Falten, schnappte sich die Tasche und verschwand im Waggon.
Scarlet starrte die zugefallene Tür an und wartete darauf, dass der Fahrtwind sie abkühlte. Sie spürte die Berührung seiner Hände auf den Hüften, an den Schultern, am Handgelenk. Allein die Erinnerung daran, wie sehr sie ihn hatte küssen wollen, schmerzte schon.
Sie lehnte sich gegen den Waggon, steckte die Haare unter die Kapuze und versuchte sich einzureden, dass es vernünftig von Wolf gewesen war, sich von ihr loszumachen. Immer wieder stürzte sie sich in Sachen hinein, ohne sie zu durchdenken, und immer wieder geriet sie dadurch in Schwierigkeiten. Auch jetzt ließ sie sich von ihren Gefühlen leiten, und das alles wegen eines Typen, den sie erst seit … seit einem Tag kannte.
Nur einen Tag. Konnte das stimmen? War dieser grässliche Kampf erst gestern Nacht gewesen? Und der Tobsuchtsanfall ihres Vaters im Hangar erst heute Morgen?
Selbst wenn es so war, änderte das nichts an ihren Gefühlen. Ihre Haut kühlte sich nicht ab. Sie wollte die Geborgenheit in seinen Armen spüren.
Sie hatte sich nach seinem Kuss gesehnt. Und sie sehnte sich immer noch danach.
Scarlet seufzte, und als sie sich wieder auf ihre Beine verlassen konnte, folgte sie ihm in den Waggon hinein.
Es war ein
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