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Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition)

Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition)

Titel: Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marissa Meyer
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der Sonne abgewandten Seite der Erde. Das Schiff schwebte im Schatten und in der Unendlichkeit des Alls.
    Verhüllt. Getarnt. Unsichtbar.
    »Gute Frage«, antwortete sie und sah zur Decke hinauf. Das hatte sie sich angewöhnt, obwohl sie wusste, wie lächerlich es war. Iko war ja weder an der Decke noch in den Lautsprechern, aus denen ihre muntere Stimme erklang. Sie war jedes Kabel des Computers, jeder Chip, jede Installation. Mit Ausnahme des Stahls, der Bolzen und Schrauben, die das Schiff zusammenhielten.
    Es war beunruhigend.
    »Ich habe nicht die geringste Ahnung von dem, was ich hier tue«, sagte Cinder. Sie warf einen Blick zum Fenster hinaus. Dort waren keine Schiffe zu sehen, nur Sterne, nichts als Sterne. In weiter Ferne ein vager violetter Nebel, vielleicht Gase vom Schweif eines Kometen. »Fühlst du dich denn anders?«
    Unter ihren Füßen surrte etwas, das sie an das weiche Schnurren eines Kätzchens erinnerte und daran, wie Ikos Ventilator sich immer schneller drehte, wenn sie Informationen verarbeitete.
    »Nein«, sagte Iko nach etwa einer Minute und das Surren erstarb. »Einfach nur gigantisch.«
    Cinder streckte die Beine aus und ließ das Blut in ihren Fuß strömen. »Genau das macht mir ja Sorgen. Irgendwie kann es doch nicht so leicht sein. Der Asiatische Staatenbund ist hinter uns her und wir wissen nicht, ob sie nicht längst militärische Unterstützung der gesamten Union Erde angefordert haben, ganz zu schweigen von Luna und den Jägern vom Grenzschutz. Wie viele Schiffe siehst du auf deinem Radar?«
    »Einundsiebzig.«
    »Genau – und keins von denen hat uns bemerkt? Keinem sind wir aufgefallen? Kommt dir das wahrscheinlich vor?«
    »Vielleicht klappt es ja doch. Vielleicht bist du ein Naturtalent.«
    Cinder schüttelte den Kopf; sie hatte vergessen, dass Iko sie nicht sehen konnte. Sie wollte Iko glauben, aber es fühlte sich irgendwie nicht richtig an. Lunarier konnten Bioelektrizität kontrollieren, aber keine Radarwellen. Sie hatte den Verdacht, dass ihr Singsang und ihre Manipulationsversuche einfach nur Zeitverschwendung waren.
    Was die Frage aufwarf, warum sie noch nicht entdeckt worden waren.
    »Cinder, wie lange muss ich so bleiben?«
    Cinder seufzte. »Ich weiß es nicht. Bis wir ein anderes Auto-Kontroll-System installieren können.«
    »Und du einen neuen Körper für mich gefunden hast.«
    »Ja, das auch.« Sie rieb die Hände aneinander. Die Wärme, die durch ihre Finger geströmt war, war verschwunden, und dieses eine Mal war ihre menschliche Hand kälter als die aus Metall.
    »Es ist nicht schön, ein Schiff zu sein. Es ist schrecklich.« In Ikos Stimme klang ein jammernder Unterton mit. »Ich fühle mich noch weniger lebendig als sonst.«
    Cinder ließ sich auf den Rücken fallen und sah in die Schatten ihrer Koje hinauf. Sie konnte sich gut in Iko hineinversetzen – als sie für das Auto-Kontroll-System eingesprungen war, hatte sie den Eindruck gehabt, ihr Gehirn würde wie ein Kaugummi in alle Richtungen gedehnt. Als hätte sie ihren richtigen Körper verloren, hätte ihr Gehirn von ihm entkoppelt und schwebte in einem unwirklichen Raum zwischen dem Realen und dem Digitalen. Sie hatte Mitleid mit Iko, die sich immer gewünscht hatte, etwas menschlicher zu werden.
    »Es ist nur vorübergehend«, sagte sie und strich sich die Haare aus der Stirn. »Sobald wir zur Erde zurückkehren …«
    »He, Cinder! Bist du im Netz?« Thornes Silhouette füllte die Tür aus, die Energiesparlampen im Vorraum erhellten ihn von hinten. »Was ist denn hier los? Pennst du etwa? Mach doch mal Licht an.«
    Cinders Nackenmuskeln verspannten sich. »Siehst du nicht, dass ich beschäftigt bin?«
    Thorne sah sich in der engen dunklen Kajüte um. »Du kannst ja richtig komisch sein!«
    Cinder ließ die Beine vom Bett baumeln. »Ich versuche mich zu konzentrieren.«
    »Weiter so, gute Arbeit, Cyborg-Mädchen. In der Zwischenzeit könntest du dir mal die Nachrichten angucken. Sie reden auf allen Kanälen von uns. Wir sind berühmt.«
    »Nein, danke. Ich habe keine Lust, mir selbst dabei zuzusehen, wie ich mich beim wichtigsten gesellschaftlichen Ereignis des Jahres wie eine Irre aufführe.« Die Aufzeichnung vom Ball hatte sie erst ein Mal angesehen – wie sie ihren Fuß verlor und die Treppe hinunterstürzte, um unten in einem Knäuel aus zerknitterter Seide und matschbespritzten Handschuhen anzukommen –, und das eine Mal hatte ihr vollkommen gereicht.
    Thorne fuchtelte vor ihr herum.

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