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Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition)

Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition)

Titel: Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marissa Meyer
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wie die Rinde des Baumstamms unter ihren Füßen. Sie versuchte ihren Herzschlag zu beruhigen und zählte die Sekunden mit. Die zu schnell verflogen. Die Magnetschienen summten lauter. Dann hörte sie das Pfeifen des Fahrtwindes.
    »Lässt du mich diesmal alleine springen?«, fragte sie, als sie in der Ferne einen hellen Punkt näher kommen sah. Die Scheinwerfer verliehen dem Wald einen gespenstischen Glanz. Unter ihnen knisterte der Strom in den Magnetschienen.
    »Willst du das denn?« Er setzte die Tasche ab.
    Scarlet warf noch einen Blick auf die Gleise und stellte sich den rasenden Zug vor. Ihre Fußsohlen prickelten.
    Dann pfefferte sie den Portscreen in die Tasche und kletterte auf eine Astgabel. »Dreh dich um.«
    Er grinste, aber zwischen den Brauen stand noch immer eine Falte. Irgendetwas lenkte ihn ab. Er ließ sie auf seinen Rücken klettern und schob ihre Beine höher, so dass sie sich ganz fest an ihn klammern konnte.
    Als sie die Arme um seine Schultern legte, fiel Scarlet ein, dass sie jeden Grund der Welt hatte, ihn zu verachten. Er hätte ihre Großmutter retten können, aber stattdessen war er weggelaufen. Er hatte sie angelogen und Dinge vor ihr verborgen, obwohl sie das Recht hatte, alles zu wissen …
    Aber er war immer noch da. Setzte sein Leben aufs Spiel und stellte sich seinen Peinigern, um ihr zu helfen. Machte sich mit ihr auf die Suche nach ihrer Großmutter.
    Sie biss sich auf die Unterlippe und beugte sich vor. »Ich bin froh, dass du mir alles gesagt hast.«
    Er schien unter ihr zusammenzusacken. »Ich hätte es dir viel früher sagen müssen.«
    »Ja, hättest du.« Sie beugte den Kopf hinunter und legte ihre Schläfe an seine. »Aber trotzdem verachte ich dich nicht.« Sie hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. Sofort wurden seine Muskeln stahlhart und sein Herz hämmerte gegen ihr Handgelenk, als sie sich fester an ihn klammerte.
    Geschmeidig wie eine Schlange kam der Zug immer näher. Im Sog seines schimmernden weißen Körpers schwankten die Bäume.
    Scarlet warf Wolf einen Seitenblick zu. Als er den Kopf wandte, bemerkte sie eine Narbe, die sich von den anderen unterschied. Sie war klein und gerade – und stammte eher von einem Skalpell als von einer Rauferei.
    Wolf duckte sich. Ihr schlug das Herz bis zum Hals und sie konzentrierte sich auf den Zug. Seine Muskeln waren angespannt und sein Puls galoppierte. Unwillkürlich fiel ihr die unnatürliche Ruhe ein, mit der er aus dem Zugfenster gesprungen war.
    Dann war der Zug da. Der Baumstamm erzitterte. Scarlets Zähne klapperten aufeinander.
    Wolf schleuderte die Tasche auf den Zug und sprang. Scarlet grub ihre Nägel in sein Hemd und biss die Zähne aufeinander, um nicht zu schreien.
    Sie landeten schwer auf dem glatten Dach, ohne dass der schwebende Zug sich durch ihren Aufprall zur Seite neigte. Scarlet spürte es sofort. Es klappte nicht. Wolf rutschte ab, sein Schwerpunkt verlagerte sich zu weit zur Seite und er verlor das Gleichgewicht.
    Sie schrie. Der Schwung des Aufpralls schleuderte sie an den Rand des Dachs. Scarlet klammerte sich so fest an sein Hemd, dass es riss. Sie stürzte hinunter und alles drehte sich.
    Ein stählerner Griff um ihr Handgelenk und ihr freier Fall endete mit einem schmerzhaften Ruck im Schultergelenk. Erneut schrie sie auf. Sie baumelte nur knapp über dem dahinrasenden Boden. Der Wind blies ihr die Haare in die Augen. Blind und verzweifelt klammerte sie sich mit aller Kraft an seinem Oberarm fest.
    Sie hörte sein Stöhnen – eher ein Aufheulen –, bevor er sie hochzog. Verzweifelt trat sie auf der Suche nach einem Vorsprung, der ihr Halt gab, gegen den Zug. Und dann war sie oben. Wolf zerrte sie vom Rand weg und warf sich auf sie, strich ihr die Locken aus dem Gesicht, fasste sie um die Schultern, rieb ihr das schmerzende Handgelenk und versuchte herauszufinden, ob sie sich verletzt hatte. Ob sie wirklich da war.
    »Es tut mir leid. Ich habe mich nicht hundert Prozent konzentriert. Ich bin ausgerutscht. Es tut mir wirklich leid, Scarlet. Alles in Ordnung?«
    Sie schauderte. Langsam hörte die Welt auf, um sie herumzuwirbeln, aber das Adrenalin raste noch durch ihre Nervenbahnen. Der Schreck saß ihr in den Knochen. Sie starrte Wolf mit offenem Mund an und nahm seine Hand, um ihn zu beruhigen. »Geht schon wieder«, keuchte sie mit einem matten Lächeln. Er lächelte nicht, in seinen Augen stand pures Entsetzen. »Es kann sein, dass ich mir die Schulter gezerrt habe, aber davon

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