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Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition)

Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition)

Titel: Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marissa Meyer
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Trinken.«
    Sie verstand nicht, was er damit sagen wollte. Ihr Vater war gefoltert worden, aber war sicherlich nicht an den Brandnarben gestorben. Auch nicht an seiner wahnsinnigen Angst.
    Aus einem Instinkt heraus blickte sie in die Halle und schüttelte ihre Benommenheit ab.
    Hinter Wolf, gerahmt von Säulen mit erloschenen Fackeln, stand ein Mann. Er war gertenschlank mit gewelltem dunklen Haar und fast schwarzen Augen, die im Schimmer der Kerzen brannten. Sein Lächeln war eigentlich angenehm, aber er sah unheimlich aus, wie er dort stand, so still. Und warum schien Wolf nicht überrascht? Er wandte sich noch nicht einmal zu ihm um, obwohl er seine Anwesenheit mit Sicherheit in seinem Rücken spürte.
    Angsteinflößender als all das war seine Kleidung. Er trug ein purpurrotes Gewand, das von der Taille abwärts ausgestellt war, lange Glockenärmel hatte und Säume, die mit glitzernden Goldrunen bestickt waren. Es erinnerte sie an ein Kinderkostüm vom schrecklichen Hof von Luna.
    Scarlet drohte das Herz zu springen. Das war kein Kostüm. Das war der Stoff für Albträume und Gruselgeschichten, mit denen man Kindern Angst einjagte.
    Ein Thaumaturge. Ein lunarischer Thaumaturge.
    »Hallo«, sagte der Mann mit einer Stimme so süß und melodisch wie geschmolzener Karamell. »Sie müssen Mademoiselle Benoit sein.«
    Sie stolperte rückwärts und hielt sich am Geländer fest. Wolf senkte den Blick und wandte sich um. Der Mann begrüßte ihn mit einem höflichen Nicken.
    »Alpha Kesley, wie schön, dass du gut angekommen bist. Und wenn ich die Nachricht recht interpretiere, die die junge Dame gerade erhalten hat, so ist Beta Wynns Aufgabe in Toulouse erledigt. Dann wäre unser Rudel also bald wieder vollständig.«
    Wolf schlug sich mit der Faust gegen die Brust und verneigte sich. »Es freut mich, das zu hören, Meister Jael.«
    Scarlet schluckte und stemmte sich gegen das Treppengeländer. Als sie ihre Stimme wiedergefunden hatte, sagte sie: »Er hat mich hergebracht, weil ich meine Großmutter Michelle Benoit suche. Er gehört nicht mehr zu euch.«
    Das Lächeln des Mannes war herzlich und voller Verständnis. »Ich verstehe. Sicherlich sind Sie sehr darauf erpicht, Ihre Großmutter wiederzusehen. Ich hoffe, Sie beide demnächst zusammenbringen zu können.«
    Scarlet ballte die Fäuste. »Wo ist sie? Wenn Sie ihr etwas angetan haben …«
    »Sie lebt, dessen kann ich Sie versichern«, sagte der Mann. Und ohne seine Miene zu verändern, wandte er sich an Wolf: »Alpha, hast du deine Ziele erreichen können?«
    Wolf ließ die Hand sinken. Seine Haltung drückte einen absurden Gehorsam aus, der auf Scarlet wie eine schlechte Maskerade wirkte.
    Scarlets Schläfen schmerzten und ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Sie wartete darauf, dass er diesem Mann erklären würde, er hätte sein lächerliches Rudel ein für alle Mal verlassen.
    Aber die Hoffnung zerschlug sich, noch bevor Wolf zu sprechen begann.
    Denn dieser Mann dort war kein normaler Krimineller, kein Mitglied irgendeiner Selbstjustizvereinigung. Wenn es wirklich ein echter Thaumaturge war, der vor ihr stand, arbeitete er auch für die Krone von Luna.
    Und was war Wolf dann?
    »Ich habe sie nach allen Regeln der Kunst ausgefragt«, begann dieser. »Aber sie erinnert sich nur vage an eine einzige Begebenheit, die uns wahrscheinlich kaum weiterhelfen wird. Seitdem ist viel Zeit vergangen und sie steht unter Druck, das hat ihr Erinnerungsvermögen negativ beeinflusst. Und zum jetzigen Zeitpunkt bezweifle ich nicht im Geringsten, dass sie Unwahrheiten in die Welt setzen würde, wenn sie Grund zu der Annahme hätte, es würde Michelle Benoit helfen.«
    Der Thaumaturge hob das Kinn und sah ihn nachdenklich an. Alpha Kesley.
    Scarlet klopfte das Herz bis zum Hals und sie bekam kaum noch Luft.
    »Wolf.«
    Er drehte sich nicht um. Zuckte nicht zusammen, gab keinen Laut von sich, reagierte nicht. Er stand starr wie eine Statue. Er war nichts als eine Marionette.
    Der Thaumaturge schnalzte mit der Zunge. »Es spielt jetzt keine Rolle mehr.« Nach einer Pause, in der der Boden unter Scarlet zu wanken schien, sagte er: »Omega Kesley hatte den Auftrag, dich zu informieren, dass sich unsere Ziele verändert haben. Ihre Majestät hat kein Interesse mehr daran, Selene zu finden.«
    Wolfs Finger zuckten.
    »Madame Benoit hat aber noch immer Geheimnisse vor uns. Vielleicht finden wir also auch für Mademoiselle noch eine Verwendung.«
    Wolf hob fast unmerklich das Kinn.

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