Die Lust des Bösen
Blümchensex und die Missionarsstellung. Bei mir muss es härter zugehen.«
Es überraschte sie nicht, nein, sie hatte es fast erwartet. Vermutlich hatte er zu lange in die dunklen Abgründe geblickt, seine Seele nicht geschützt und somit verloren. Er hatte seine mentalen Schutzmechanismen abgekoppelt – die Abgründe waren Teil seiner Persönlichkeit geworden.
»Sie war eine interessante Mischung aus Sklavin und Domina, und wir trafen uns oft im Haus der Agentur.«
Max merkte, dass Lea nicht ausflippte, ihn nicht verurteilte – und das tat ihm gut. Nie hätte er geglaubt, dass jemand Verständnis für seine dunklen Triebe haben könnte. Aber hier saß seine Kollegin direkt vor ihm und nahm es einfach hin. Ruhig hörte sie sich seine Geschichte an. Langsam begann er, sich sicherer zu fühlen. Er erklärte ihr, dass es in dem Haus ein Studio gäbe, wo die Kunden mit den Mädchen ihre Fantasien ausleben könnten.
Lea nickte nachdenklich. Nein, sie richtete nicht über ihn. Sie hatte selbst lange gebraucht, um zu erkennen, dass jeder nach seiner Fasson selig werden musste. Heute konnte sie hier vor ihrem Kollegen sitzen, ohne seine Taten zu werten. Mehr noch: Sie mochte ihn und hegte Sympathien für diesen raubeinigen Kerl. Und das war mehr, als sie sich selbst erhofft hatte. Wie sehr musste er all die Jahre unter diesem Geheimnis gelitten und wie einsam musste er sich gefühlt haben?
»Doch heute Abend«, beendete er den ersten Teil seiner Beichte, »als ich bei der Agentur anrief, sagte man mir, dass sie verschwunden und seit zwei Tagen nicht mehr erreichbar sei.«
Und eben habe er erfahren, dass eine junge Frau in der Nähe von Hitlers Wolfsschanze tot aufgefunden worden sei, deren Beschreibung auf sie passe. Die polnischen Ermittler hätten einige Parallelen zu ihrem Fall des ermordeten Mädchens in Hitlers Fahrerbunker gefunden und deshalb Leas und Max‘ Hilfe angefordert.
Wieder atmete er tief durch. So weit, so gut, aber jetzt kam der schwierige Teil. Wie sollte er ihr erklären, dass er ihr wichtige Ermittlungsergebnisse vorenthalten hatte? Womit sollte er sein Verhalten rechtfertigen? Die junge Kommissarin saß reglos auf ihrem Sofa und hörte sich alles an. Ja, für einen Moment lang war sie wütend auf ihn. Warum hatte er ihr all das verschwiegen? Aber nachdem sie die ganze Geschichte gehört hatte, konnte sie das Warum verstehen. Es war nicht korrekt, das wusste sie, aber das Leben lief eben nicht immer auf geraden Wegen. Manchmal tat man Dinge, die man tun musste, weil man nicht anders konnte. Und Vorwürfe würden sie jetzt auch nicht weiterbringen. Aber wie um alles in der Welt sollte sie sich jetzt verhalten? Wenn das alles zutraf, was er ihr gerade erzählt hatte, war er befangen und durfte in diesem Fall nicht weiterermitteln.
»Weißt du was?«, sagte sie zu ihrem Kollegen, der eigentlich eine zünftige Standpauke erwartet hatte. »Lass uns das morgen in aller Ruhe besprechen. Wir sind jetzt beide müde, und es wartet ein anstrengender Tag auf uns. Du kannst bei mir auf dem Sofa schlafen, dann musst du nicht noch mal nach Hause.«
Alle Achtung, soviel Abgeklärtheit hätte der Kommissar seiner jungen Kollegin gar nicht zugetraut.
Schon am frühen Morgen hatte Wenger den Parteichef Jack Braun im Hotel in Heiligenlinde abgeholt. Die Geschäfte der Nationalpartei machten seine Anwesenheit in Berlin dringend erforderlich. Als Jacks Handy am späten Abend klingelte, saß er noch im Büro, denn es hatte sich einiges an Arbeit angesammelt. Es war Lea.
»Schön, deine Stimme zu hören«, sagte er zärtlich.
Auch sie freute sich, wäre sie doch gerne mit ihm gemeinsam nach Polen gefahren – aber dieser Fall hatte sie einfach zu stark beansprucht.
»Wie geht es dir?«, wollte sie wissen.
Nun ja, wenn sie eine ehrliche Antwort erwarte, begann er, dann nicht so gut. Schließlich sei sein Ausflug zur Wolfsschanze alles andere als der erhoffte Erfolg gewesen, und dann …
»Ja?«, fragte sie.
Dann hast du mir gefehlt, ergänzte er in Gedanken, sprach es jedoch nicht aus.
So sehr hatte sie gehofft, dass er genau das sagen würde. Aber jetzt war wohl nicht der Zeitpunkt, über Gefühle zu sprechen, denn der eigentliche Grund ihres Anrufes war wenig erfreulich. Man hatte eine Frauenleiche gefunden, und zwar auf dem Gelände der Wolfsschanze, genauer gesagt in Hitlers Bunker.
»Aber da war ich doch gerade!« Jack schien irritiert.
Merkwürdig, warum hatte er nichts davon gehört? Normaler weise
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