Die Lust des Bösen
Die junge Frau hatte demnach keine Chance, sich zu wehren.
Wenn sie zudem noch sediert und örtlich betäubt war, lag sie wie ein Lamm auf der Schlachtbank.«
Die Kommissarin war sichtlich betroffen.
»Und noch etwas«, ergänzte Dr. Carolina Kalinowski, »wir haben Spermaspuren an ihrem Körper gefunden. Es sieht nach Selbstbefriedigung des Täters aus, da wir keinerlei Sperma in ihrer Scheide nachweisen konnten.«
»Es ist also nicht ausgeschlossen, dass der sadistische Täter auch ein sexuelles Motiv hatte?«, überlegte Jerzy laut. »Möglich ist alles.«
Der Tathergang erinnere stark an ihren ersten Mord in Berlin, gab die Profilerin zu bedenken. Wenn es sich also um den gleichen Täter handelte, dann war sein Motiv ein anderes.
»Ist es möglich, die Spermaspuren mit denen an der Toten in Berlin zu vergleichen?«, wollte Lea wissen.
»Natürlich, gar kein Problem.«
»Dann rufe ich jetzt Mayer an und bitte ihn, uns das Genschema zu schicken.«
Carolina nickte bestätigend, sie würde ihr dann schnellstmöglich Bescheid geben, sobald sie mit dem Abgleich der DNA fertig war.
»Können Sie uns schon sagen, wann die Tat verübt wurde?«
»Die Tatzeit habe ich Ihrem Kollegen schon mitgeteilt«, meinte die Forensikerin, »vermutlich zwischen dreiundzwanzig und ein Uhr in der Nacht von Samstag auf Sonntag. Mit hoher Wahrscheinlichkeit«, so fuhr sie fort, »wurde die junge Frau nicht am Fundort getötet, sondern erst dorthin gebracht. Die Spurensicherung hat zudem Reifenspuren gefunden. Reifenprofil, Spurbreite und Radabstand haben Hinweise darauf ergeben, dass es sich um einen alten Käfer, Baujahr 1972, handeln könnte.«
»Also, wenn Sie mich fragen, war hier jemand am Werk, der sein Handwerk versteht«, meinte sie. »Jemand, der nicht nur anatomische Kenntnisse hat, sondern vielleicht sogar eine Person, die schon einmal in der Rechtsmedizin gearbeitet hat. Das verrät die saubere Präzision, mit der die Schnitte hier ausgeführt wurden. So wie es aussieht, hat er auch Instrumente benutzt, die wir hier praktisch täglich gebrauchen, wie diese Art Kreissäge.«
Dann zeigte sie auf den Kopf des Opfers und fuhr fort: »An den Schnitten am Kopf können wir sehr gut sehen, dass das Opfer noch gelebt hat, sonst wären die Wundränder nicht so sauber. Auch die konservierten Organe, das Hirn und das Herz, sprechen für diese These.«
»Gut«, Jerzy war fürs Erste zufrieden. »Ich denke, jetzt sind wir dran.«
Er dankte Carolina für ihre wirklich gute Arbeit. Und Lea bat er, doch mit in sein Büro zu kommen. »Ich habe dort einige Fotos vom Fundort, die Sie sicher interessieren dürften.«
Noch immer stand Max vor dem Gebäude des rechtsmedizinischen Instituts und war erschüttert. Nie hätte er geglaubt, dass ihn der Tod eines Mädchens aus der Agentur einmal so berühren könnte. So viele Dates hatte er schon gehabt, und wirklich schöne Mädchen waren darunter gewesen. Bei allen war es das Neue, Unbekannte, was ihn zutiefst sexuell erregt und seine Begierde geweckt hatte, aber bei Sheyla war alles anders gewesen. Bei ihr war es nicht nur Begierde, die er verspürt hatte, wenngleich er nur ein neues Abenteuer zur Befriedigung seiner Lust gesucht hatte. Bei ihr hatte er Neugierde und fast so etwas wie Leidenschaft empfunden, ja, eine fast zärtliche Leidenschaft, sofern man dies bei einer solchen Art von Spiel überhaupt empfinden konnte. Zum ersten Mal in all den Jahren hatte er ein Gefühl der Wärme und der Zuneigung gehabt, und er hätte sie gern wiedergesehen.
Als er und Lea schließlich im Auto saßen, schlug er unaufhörlich mit dem Kopf gegen die Autoscheibe und stellte stoisch die Frage, wer so etwas mache. Was für ein krankes Hirn musste das gewesen sein?
»Beruhige dich«, bat Lea, »du kannst jetzt am meisten für sie tun, wenn du einen klaren Kopf bewahrst. Es würde ihr nichts nützen, wenn du durchdrehst. Sie hätte sicher gewollt, dass du kühl bleibst und konzentriert arbeitest. Sie mochte es ja, wenn Männer die Kontrolle übernehmen. Geh ein paar Schritte, ich mach das hier schon.«
Die Profilerin fuhr mit Jerzy los.
Sein Büro lag in einem der wenigen Gebäude der Altstadt, die noch nicht saniert waren, was jedoch dringend nötig war. Die Treppe machte keinen sehr vertrauenswürdigen Eindruck mehr, und die Wände waren an einigen Stellen sichtbar feucht.
Der polnische Kommissar sah ihren Blick.
»Ja, die Polizei hier in Polen hat eben kein Geld.«
Dann hatten sie die zweite
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