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Die Lust des Bösen

Die Lust des Bösen

Titel: Die Lust des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Negra
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Etage erreicht, in der sein Büro lag. Es war spartanisch ausgestattet: ein alter Holzschreibtisch in der Mitte des Raumes, an den Wänden einige Regale mit Ordnern, und überall stapelten sich die Akten, weil es einfach an Platz fehlte. Auch die technischen Geräte schienen nicht mehr die neuesten zu sein.
    »Sie müssen entschuldigen, Frau Lands, es ist nicht sehr komfortabel hier, aber ich denke, zum Arbeiten ist es ausreichend. Ich mache uns jetzt mal einen Kaffee, und währenddessen schauen Sie sich doch mal die Fotos an, die ich vom Fundort gemacht habe.«
    »Gut.« Sie setzte sich auf einen der alten, klapprigen Bürostühle und breitete die Bilder vor sich aus.
    »Am besten hängen wir die Aufnahmen hier an die Pinnwand und schauen sie uns dann gemeinsam an«, schlug Lea vor.
    Wenig später kam der nette ältere Kollege mit zwei großen Bechern Kaffee zurück. Er gab ihr ein paar Nadeln, und sie begannen die Tatortfotos an die Wand zu pinnen. Nach einigen Minuten hatten sie eine gute Übersicht.
    »Schauen Sie sich das an!«, rief Jerzy begeistert.
    Wie detailliert, geplant und akribisch der Täter doch vorgegangen war. Die beiden Todesszenarien waren fast identisch und mussten minutiös geplant worden sein. Besonders die Positionierung der Leiche direkt unter der Wandmalerei der blonden Frau im Fahrerbunker könnte ein Schlüssel zum Verständnis des Falles sein, schätzte ihr polnischer Kollege.
    »Vielleicht mordet der Täter diese Frauen stellvertretend für die Germania, die wir auf dem Gemälde in Berlin entdeckt haben? Aber warum wählt er dann zwei Orte, die so weit voneinander entfernt liegen?«, bemerkte Lea. Der polnische Kommissar zuckte jedoch mit den Schultern.
    Normalerweise mordeten Serienkiller doch immer in einem festgelegten Radius, meist sogar in Wohnortnähe. Das passte einfach nicht! Selten wagten sie sich in ein neues Revier – noch dazu in ein anderes Land, in dem sie sich nicht auskannten und Gefahr liefen, entdeckt und enttarnt zu werden. Warum also war ihr Täter wohl dieses Risiko eingegangen? Je mehr sie sich darüber den Kopf zerbrachen, desto mehr kamen sie zu der Überzeugung, dass es ihm vor allem auf die symbolische Wirkung seiner Taten ankam.
    Er hatte eine Botschaft, die er ihnen vermitteln wollte. Und wenn sie ihn verstehen wollten, dann mussten sie diese Message entschlüsseln.
    Wo lag der Schlüssel?, überlegten sie angestrengt. Vielleicht lag er ja in den Opfern selbst?
    »Hier, schauen Sie, Jerzy, die erste Frau auf dem Foto hier, das uns ihr Vater zur Verfügung gestellt hat, sie sieht genauso aus wie diese Germania.«
    Aber diese Verbindung – jung und blond –, da waren sie sich einig, war zu wenig. Das war zu schlicht, zu einfach, zu offensichtlich. Ihr Täter war intelligenter, durchtriebener, raffinierter – er wollte mit ihnen spielen und wollte sie herausfordern. Also, was war es, das er unter dieser Oberfläche versteckt hatte?
    »Ach, noch etwas haben wir bei dem Opfer gefunden«, sagte Jerzy beiläufig. »Eine goldene Kette mit einem Adler.« Darauf hätten sie Faserreste nachweisen können, die nicht vom Opfer stammten.
    Lea blickte auf. »Darf ich die Kette mal sehen?«, fragte sie aufgeregt ihren polnischen Kollegen, der sie ihr sofort reichte. Schließlich habe er sich gleich gedacht, dass sie das interessieren würde. Deshalb habe er sie ja auch bis zum Schluss aufgehoben.
    »Etwas Spannung muss schon sein«, meinte er und grinste.
    Schon wieder der Adler, erinnerte sich Lea, während sie die Kette in ihren Händen drehte und wendete. Was bedeutete dieser Vogel wohl für den Täter? Was war die Verbindung?
    Vermutlich wollte er einmal in seinem Leben frei sein, sich g roß und mächtig fühlen – so wie der König der Lüfte. Nur er bestimmte, wann und wo er auf die Jagd ging, wann er dicht an den Hängen entlang, über Kuppen oder kleine Hügel glitt und versuchte, seine Beute auf kurzer Distanz zu überraschen. Meist jagte er Tiere, die sich auf dem Boden bewegten, und tötete seine Beute mit seinen außerordentlich kräftigen Zehen und Krallen.
    Bei sehr großen Beutetieren wie Kitzen oder jungen Gämsen aber war das anders – das hatte Lea bei ihrer letzten Recherche gelesen. Diese ganz besondere Beute griff der Adler am Kopf an. Dabei schlug der Raubvogel ihnen seine Krallen durch die Schädeldecke direkt ins Gehirn.
    Elektrisiert hielt sie inne. Das war es. Wie der Adler schlug ihr Täter zuerst am Kopf – am Gehirn! – zu und tötete

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