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Die Lust des Bösen

Die Lust des Bösen

Titel: Die Lust des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Negra
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geistesgegenwärtig die Polizei verständigte. Wenige Minuten später fuhren zwei Polizisten im Streifenwagen vor. Die Szenerie hatte sich zwischenzeitlich aber beruhigt, der General und sein Gefolge hatten sich in ihren Bauernhof zurückgezogen.
    Als die Polizei jedoch den Ort des Geschehens unverrichteter Dinge wieder verließ, hetzte er einige seiner Gefolgsleute auf die unbequemen Nachbarn.
    Sie kamen aus ihrem Bauernhof heraus, bewaffnet mit Gummiknüppeln und Schlagringen, und boten dabei ein furchteinflößendes Bild.
    Wenige Minuten später sprangen und traten sie gegen das Hoftor der mutigen alten Dame, bis sie es eingetreten hatten.
    Aufgeschreckt von dem Lärm entschloss sich Alois zur Ver teidigung, ergriff einen Golfschläger und rannte hinaus auf den Hof. Die Gruppe hatte sich im Hof aufgebaut und wartete schon auf ihr Opfer.
    Es war eine Treibjagd mit klar verteilten Rollen. Und wie bei einer richtigen Jagd drohte sie für das Opfer tödlich zu enden. Es dauerte keine Sekunde, und die acht Neonazis prügelten wie wild auf ihn, der nie den Hauch einer Chance hatte, ein. Einer von ihnen sprang ihn von hinten an und hielt seine Arme fest. Die anderen begannen auf ihn einzuschlagen und ihn zu treten. Der »General« kam jetzt näher und befahl: »Aufhören.«
    Die Gruppe ließ von dem Alten ab, der den Anführer jetzt direkt ansah.
    »Du alter Idiot, du bekommst deine Strafe. Man nennt mich nicht umsonst den Schlitzer, und ich will dir zeigen, was es heißt, sich mir zu widersetzen.«
    Er zog sein Messer aus seinem Gürtel und schlitzte dem armen Mann kurzerhand den Pullover auf. Das Geräusch, das sein Messer in dem auseinanderreißenden Stoff verursachte, war für ihn ein Genuss.
    »So«, sagte er zur Gruppe gewandt, »jetzt gehört er euch.«
    Es dauerte nicht lange, bis der Wehrlose schließlich am Boden lag. Der Übermacht der menschenverachtenden Gewalt seiner Angreifer hatte er nichts entgegenzusetzen.
    Alois krümmte sich vor Schmerzen, und die Jungs schlugen weiter auf ihn ein. Sie traten mit ihren Springerstiefeln mehr fach gegen seinen Kopf. Kurz darauf wurde er schließlich bewusstlos.
    Mathilda hatte die Szenerie beobachtet und schon beim ersten Anschein von Eskalation erneut die Polizei verständigt. Sie zitterte und bat aufgeregt um einen Notarzt. Als dieser eintraf, ließ die wildgewordene Horde von ihrem Opfer ab und ergriff die Flucht. Der Arzt nahm Alois sofort mit ins Krankenhaus. Er hatte einen mehrfachen Schädelbasisbruch und ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitten, außerdem mehrere Knochenbrüche und Hämatome überall. Ob er je wieder der Alte werden würde, vermochte zu diesem Zeitpunkt niemand zu sagen.
    Von der Polizei des Ortes wurde dieser Angriff im abschließenden Polizeibericht zu einem persönlichen Nachbarschaftsstreit herabgewertet. Es war offensichtlich, dass die Beamten dem neonazistischen Problem im Ort machtlos gegenüberstanden. Nicht zum ersten Mal wurden so die rechtsextremistischen Machenschaften der Gang einfach unter den Teppich gekehrt. Was blieb, war der Eindruck, dass Polizei und Justiz auf dem rechten Auge blind waren.
    D ie Anwohner des Dorfes fühlten sich alleingelassen mit ihrer Angst, dass es eines Tages wieder eskalieren könnte und weiteres Blut fließen würde. Vielleicht würde dann einer von ihnen schon das nächste Opfer sein? Aber dieser Vorfall hatte sie zusammen geschweißt, und allmählich begann sich Widerstand zu bilden.

    Stück für Stück waren Annas Erinnerungen zurückgekehrt. Und je mehr Bruchteile des Erlebten in ihr Bewusstsein drängten, umso mehr zog sie sich zurück. Das Trauma war zu schwer und die Narben zu frisch, als dass sie hätten verheilen können.
    Immer mehr Zweifel überkamen sie. Ob es nicht doch besser gewesen wäre, sich dem zu stellen, was passiert war, und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen?
    Aber ihre Angst war einfach zu groß. Und was hätte sie der Polizei sagen sollen? Sie wusste nicht, wer sie vergewaltigt hatte, wusste nicht, wie und wo es passiert war. Es waren einfach zu viele Fragen, auf die sie keine Antwort hatte.
    Nein! Sie wollte nicht in die Mühlen der Behörde geraten. Viel zu oft hatte sie schon davon gehört, wie mit Vergewaltigungsopfern umgesprungen wurde. Niemand glaubte ihnen, und am Ende waren sie dann noch an allem schuld.
    Anna wollte keine Abstriche, keine Asservierung ihrer Fingernagelabschnitte, keine entwürdigenden Vernehmungen durch die Polizei erleben müssen oder

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