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Die Lust des Bösen

Die Lust des Bösen

Titel: Die Lust des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Negra
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verächtlich gelacht hatte sie und geantwortet, dass Jungs in einem Zimmer und Mädchen in einem anderen Zimmer schlafen müssten. Und dann kam die Nacht: Sein Onkel drückte ihm ein Kopfkissen ins Gesicht, während er sich an ihm verging, damit ihn niemand hören konnte, denn sein Bruder und sein Cousin schliefen im selben Zimmer. Wenger konnte kaum atmen, ja, er hatte Todesangst. War das nicht verrückt, er, der heute Allmächtige, hatte Todesangst gehabt?
    Jahrelang hatte er nie darüber gesprochen und alles in sich hineingefressen. Nie hatte er den Versuch unternommen, diese Emotionen herauszulassen. Auch seiner Mutter hatte er nie etwas erzählt. Irgendwann aber fing er an, sich selbst die Schuld für die Misshandlungen zu geben. Dieses Gefühl von damals konnte er sich heute nicht mehr erklären. Damals hatte es ihm geholfen. Jedenfalls hatte er sich das eingebildet.
    Im Grunde seines Herzens, davon war er überzeugt, war er ein sehr empfindsamer Mensch. Sein ganzes Leben lang war er verkannt worden. Niemand hatte gesehen oder sehen wollen, was für ein sensibler Kern in ihm steckte. Immer hatten ihn alle nur gekränkt und verletzt. Bis er irgendwann beschlossen hatte, sie auszugrenzen. Sie waren böse, und das Böse musste man eliminieren.
    Wenger war nachdenklich geworden. Sicher würde diese Fallanalytikerin nach seinem Verhältnis zu seiner Mutter fragen. Das machten die Psychologen doch immer.
    Immer dann, wenn etwas schieflief, lag die Wurzel in der Kindheit und oftmals eben auch in der fehlenden Mutterliebe.
    Er musste lächeln. Aber da würde sie nichts finden, denn seine Mutter war eine wundervolle Frau gewesen. Er hatte sie geliebt, diese zarte, so zerbrechliche Frau, und hatte versucht, sie vor seinem wütenden Vater zu beschützen, der sie häufig geschlagen hatte. Seinetwegen hatte sie es still erduldet – seinetwegen hatte sie ihren Ehemann nicht verlassen.
    Sein Vater war ein herzloser Kerl gewesen. Er konnte den Schmerz anderer Menschen nicht fühlen, konnte anderen aber sehr schnell Schmerzen zufügen. Als bei Wengers über alles geliebter Mutter Brustkrebs diagnostiziert wurde, brach für ihn eine Welt zusammen. Seine Mutter so leiden zu sehen, war für ihn unerträglich. Er konnte ihr nicht helfen und nichts für sie tun. Ohnmächtig musste er zusehen, wie sie langsam und qualvoll starb.
    Diese Wut, all die Aggression, der ganze Jähzorn, die er in all den Jahren in sich gesammelt hatte, brachten ihn in eine geradezu besessene Raserei und brauchten ein Ventil. Aber es waren nicht seine Peiniger, gegen die sich seine Rachegefühle richteten. Dafür fühlte er sich nicht stark genug. Er suchte Gegner, die ihm unterlegen waren. Er wollte dominieren, kontrollieren und erniedrigen. Für seine Opfer empfand er rein gar nichts. Nie hatte er in ihnen Menschen gesehen mit Emotionen, Hoffnungen und Träumen. Nein, sie waren nur Objekte, an denen er sich abreagieren konnte.
    Nachdenklich strich er mit seinen Händen über die kalten, staubigen Treppenstufen.
    »Ja, und dann kamst du – mein Führer«, flüsterte er fast zärtlich. Es war kurz nach ihrem Spaziergang im Rastenburger Wald gewesen, als er plötzlich in seinem ganzen Körper eine gewisse innere Unruhe verspürt hatte. Er war besessen von der Vorstellung, blonde, jüdische Frauen quälen und töten zu müssen. Es war mehr als nur die bloße Vorstellung. Die Bilder wurden zur Begierde, zur Obsession – es war wie eine fremde Macht, die ihn dazu zwang, zu töten. Ja, es war, als ob die unsichtbare Hand des Führers die Kontrolle übernahm. Und er konnte nichts dagegen tun. Das Ziel all seines Handelns war die vollständige Vernichtung seiner Opfer.
    Trotzdem hatte er nie gegen diese Gefühle angekämpft. Es war kein gewöhnliches Kribbeln, wie man es zuweilen verspürte, wenn einem die Hände einschliefen, nein, das hier war mehr, und es kam tief aus seinem Inneren heraus.
    Bei Hannah hatte er zum ersten Mal diesen Gefühlen freien Lauf gelassen. Er war sich vorgekommen wie in einem rasenden Fahrstuhl, der ungebremst nach unten rauschte und bei dem man die Sekunden zählte, bis er mit aller Wucht aufprallen und zerbersten würde. Eine Kraft, die alles mit sich riss, was sich ihr entgegenstellte. Es gab kein Zurück.
    Er musste weitermachen, musste seine Opfer vergewaltigen – nicht so, wie es sein Onkel getan hatte. Nein, er wollte sie nicht penetrieren, nicht mit seinem Schwanz in sie eindringen, er wollte sie erniedrigen, sie benutzen,

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