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Die Lust des Bösen

Die Lust des Bösen

Titel: Die Lust des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Negra
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ganz so, wie man es ihm angetan hatte. Zu keinem Zeitpunkt hätte er damit aufhören können. Jetzt war er stark. Er allein war der Herr über Leben und Tod.
    Wie lange er hier unten im Bauch des Olympiastadions schon gesessen hatte, wusste er nicht. Aber er spürte allmählich, wie die Kälte in ihm hochkroch. Er hatte sich nicht bewegt, und die kalten Steine hatten ein Übriges getan. Auch seine Taschenlampe wurde schwächer und drohte den Dienst zu verweigern. Wenn er nicht riskieren wollte, von der Dunkelheit eingeschlossen zu werden und nicht mehr zurückzufinden, musste er jetzt gehen.
    Er packte sein Notizbuch mit den Fotos in seine Jackentasche und stand auf. Doch bevor er das Stadion wieder verließ, wollte er noch den Rest sehen. Verdammt, er hatte den Reserveakku für die Taschenlampe vergessen.
    Wenger stieg die Stufen, die zur Führerloge geführt hatten, wieder hinunter und bewegte sich tiefer ins Innere des Großbaus hinab. Je weiter er vordrang, desto mehr offenbarte das Gebäude von seinen Eingeweiden. Einige der alten Kabelkanäle schienen noch völlig intakt zu sein, darunter Verbindungsrohre der einstigen Berliner Stadtrohrpost. Durch sie waren die Meldungen der olympischen Erfolge in die ganze Welt gesendet worden. Wieder hörte er die Worte Hitlers: »Wir sind vergänglich, aber Deutschland wird bestehen.«

    L ea hatte sich eine Auszeit verdient. Die Ermittlungen drehten sich im Kreis. Weder die Befragungen der polnischen Ermittler noch die Auswertung der gesicherten Spuren hatten neue Erkenntnisse gebracht. Mit der goldenen Kette, die der Täter am Tatort verloren hatte, hatten sie zwar einen Hinweis und ein paar Faserspuren, mehr aber auch nicht. Auch die Tierhaare, die sie eindeutig einem Schäferhund zugeordnet hatten, hatten sie nicht weitergebracht. Es war zum Verzweifeln!
    Selbst mit den Spermaspuren und der damit sichergestellten DNA kamen sie nicht weiter. Unter den registrierten Straftätern war jedenfalls keiner dabei, auf den diese DNA passte.
    Und zu allem Überfluss waren da auch noch ihre privaten Probleme. Sie hatte einfach ihren Kopf nicht frei, konnte sich nicht hundertprozentig auf die Ermittlungen konzentrieren.
    Der Tod ihrer Tante hatte sie aus der Bahn geworfen, dann das Ende der vermeintlich glücklichen Ehe ihrer besten Freundin und zu guter Letzt auch noch die Enttäuschung mit Jack. Das alles war einfach zu viel!
    Aber heute wollte sie den Tag nutzen, um ihren Kopf frei zubekommen. Lange schon hatte sie eine Fahrt mit einem Ausflugsschiff über die Spree geplant – vorbei am Haus der Kulturen, dem Regierungsviertel, der Museumsinsel und den vielen anderen Schönheiten Berlins, die von der Spree aus zu sehen waren. Eine willkommene Abwechslung, besonders bei schönem Wetter.
    Leider war heute einer der Tage, an denen es ziemlich bewölkt und kühl war. Was soll’s, dachte sie sich, wir werden uns doch von so ein paar Wölkchen nicht abhalten lassen, oder, Arthur? Ihr Hund wedelte mit dem Schwanz und schien sich schon zu freuen. Er liebte Wasser. Egal, ob Schlammpfütze, Pool, Löschwasserteich oder Fluss – Hauptsache nass.
    »Na dann, schauen wir mal, was uns hier erwartet.«
    Kaum hatten sie das Boot betreten, legte es auch schon ab. Ihre Fahrt begann am historischen Reichstagsufer, dort, wo man an Wochentagen dem hektischen Treiben einer Großstadt zusehen konnte. Heute war es vergleichsweise idyllisch, wenig Verkehr, nur einige Radfahrer und Spaziergänger waren unterwegs.
    »Gleich werden wir unter der ersten Brücke hindurchfahren«, gab der Fremdenführer bekannt, »bitte achten Sie unbedingt auf Ihre Köpfe, denn die Brücken sind sehr niedrig gebaut.«
    Lea stand auf Deck und genoss den Wind, der ihr angenehm kühl ins Gesicht blies. Tief atmete sie durch und füllte ihre Lun gen mit Sauerstoff. Das war es, was ihr so lange schon gefehlt hatte: Endlich einmal loslassen und frei sein, nicht nachdenken müssen und einfach nur genießen können.
    »Links sehen Sie den Berliner Dom«, kam der Hinweis des Guides auf eines ihrer Lieblingsbauwerke, vielleicht eines der schönsten und imposantesten Berlins. Sehr oft schon hatte sie den Dom besucht, und jedes Mal war es wieder ein neuer, magischer Augenblick, diesen prachtvollen Innenraum mit seinen Sandsteinpfeilern und dem wunderschönen Altar aus weißem Marmor und Onyx zu betreten.
    Ihr Blick fiel auf die viergeschossige Ostseite des Doms, die eher an einen barocken Palast als an ein Gotteshaus erinnerte. Sie

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