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Die Lust des Bösen

Die Lust des Bösen

Titel: Die Lust des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Negra
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sich selbst und allenfalls noch Ohren für etwas, das ihnen weitere Karrieremöglichkeiten bieten konnte. Alles andere wurde offenbar ausgeblendet.
    Als die Band dann »Everlasting Love« spielte, gab es für Jack kein Halten mehr. Begeistert enterte er die Bühne und sang mit der Leadsängerin im Duett. Und siehe da: Einige der Gäste hatten diese Einlage mitbekommen und jubelten begeistert.
    Später ging er hinüber an das opulente Buffet, was ganz nach seinem Geschmack war. Da gab es die traditionelle Frankfurter Grüne Soße, den Handkäs’ mit Musik und eine »Äppelwoischenke« in der Hessenstube. Er schnappte sich einen Teller, fischte ein paar der verbliebenen Eier sowie einige Kartoffeln aus dem Chafing Dish, schöpfte ein wenig Grüne Soße darüber und ging hinüber zur Hessenstube, um sich einen zünftigen Äppelwoi zu holen. Dann setzte er sich neben die Sängerin der Jazzband, die gerade eine Pause einlegte.
    Ein Gespräch mit ihr war jetzt sicher genau das Richtige, überlegte er und lobte die junge Künstlerin für ihre tolle Stimme. Und das, was er sagte, meinte er auch so.
    Wie schön das war, sich nicht verbiegen zu müssen und stattdessen sagen zu können, was man dachte! Die beiden unterhielten sich noch eine ganze Weile, hatten sichtlich Spaß und lachten. Es war dieses Unbeschwerte, das er so sehr vermisste, seitdem er sich in diesem Politbusiness bewegte.
    Während Jack sich oben in der Landesvertretung mehr oder weniger durch den Abend quälte, lief Wenger in der Tiefgarage gerade zu Hochtouren auf. Er hatte einen Lüftungsschacht gefunden, der eventuell ein weiterer Zugang zum Bunker sein konnte.
    Der Fahrer schob das Gitter des Schachtes zur Seite und stieg ein. Diese Luke war noch enger als die bei seiner ersten Erkundungstour durch das Kanal- und das alte Schienensystem der Stadt. Das Lüftungssystem hatte nur eine Höhe von 1,50 Meter, sodass an einen aufrechten Gang nicht zu denken war. Eine Quälerei für einen Hünen wie ihn!
    Er robbte in geduckter Haltung weiter vor durch die Verzweigungen des Schachtes. Eigentlich musste dieser jetzt parallel zur Nordseite der Tiefgarage verlaufen und nach wenigen Metern dann nach oben führen, denn die Luft musste ja irgendwo wieder entweichen. Nur noch ein paar Schritte, dann sollte er es geschafft haben.
    Und tatsächlich: Er stand vor einer Stahltür. Sie war nicht so groß und massiv wie die, die er auf seiner Erkundungstour durch die Unterwelten Berlins vorgefunden hatte. Vielmehr schien es sich um einen alten Notausgang des Bunkers zu handeln. Wengers Herz schlug regelrechte Purzelbäume – eine Gefühlsregung, die er sonst an sich überhaupt nicht kannte.
    Je mehr er diesem Gefühl nachgab, desto mehr war er davon überzeugt, dass er seine Mission, die ihm in seinem Traum so klar vor Augen geführt worden war, erfüllen musste.
    Ein Blick auf seine Uhr signalisierte ihm jedoch, dass es Zeit für ihn wurde zurückzugehen. Um zweiundzwanzig Uhr würde sein Chef wieder zum Wagen kommen, und wenn der etwas hasste, dann war es Unpünktlichkeit.
    Obwohl er schon eine ganze Weile auf dem Rückweg in die Tiefgarage war, wollte Wengers Adrenalinspiegel einfach nicht wieder sinken. Fünf Minuten vor der vereinbarten Zeit schob er das Gitter des Lüftungsschachtes erneut zur Seite und gelangte wieder in die Tiefgarage.
    Er nahm ein paar feuchte Tücher aus einem Etui und wischte sich den Betonstaub vom Jackett. Jetzt musste er nur noch schnell die Parkkarte kopieren, dann hatte er alles, was er brauchte. Er holte ein kleines, eigens dafür konstruiertes Lesegerät aus der Tasche und zog die Karte durch. Damit hatte er den Zufahrtscode, mit dem er problemlos jederzeit wieder in die Tiefgarage gelangen konnte.
    H annah war mit ihrer Größe von 1,65 Meter eine eher zierliche Erscheinung. Ihre kurzen blonden Haare gaben ihrem Gesicht jenen Ausdruck, der seine Wirkung auf Männer nicht verfehlte. Sie genoss die Avancen ihrer zahlreichen Verehrer, denn sie war keines dieser Mauerblümchen, die nur auf den Richtigen warteten. Sie war frech genug, sich auf Abenteuer einzulassen, Dinge auszuprobieren und Erfahrungen zu sammeln. Vielleicht war das ihre Art von Ausgleich zu dem strengen Zepter, das ihr Vater zu Hause schwang.
    Die junge Frau kam aus einer Bankiersfamilie, in der Tradition und Etikette immer viel bedeuteten. Strenge Regeln schrieben genau vor, was erlaubt war und was nicht. Ihre Eltern hatten sie konservativ erzogen; besonders ihr Vater

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