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Die Lust des Bösen

Die Lust des Bösen

Titel: Die Lust des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Negra
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er sie professionell für einen neuen Katalog in Szene setzen. Auf ihren Wunsch hin hatte Hannah schließlich mit ihm einen Termin für ein Fotoshooting vereinbart.
    Einige Tage später stand die Studentin dann vor der Tür von Wengers Neubauwohnung in Berlin-Wilmersdorf. Er bat sie herein, und sie fand sich in einem kleinen, aber durchaus komfortablen Fotostudio wieder.
    Sie schaute sich um. Der Raum war hell, freundlich und ließ viel Tageslicht durch die hohen Fenster ein. Obwohl das Studio nicht groß war, bot es ausreichend Platz, um verschiedene Bildideen umzusetzen. An der Decke waren diverse Rollensysteme installiert, mit denen der Fotograf unterschiedliche Kulissen hervorzaubern konnte, je nachdem, ob ein weißer, schwarzer, roter oder blauer Hintergrund gebraucht wurde. Und natürlich gab es auch eine Kamera, eine Blitzanlage und verschiedene weitere Beleuchtungsgeräte. Auch an einen MP3-fähigen CD-Player mit Boxen hatte er gedacht.
    Er legte etwas Musik auf und ließ Hannah Zeit, sich umzusehen.
    Nach einer Weile bat er sie höflich, eines der Abendklei der anzuziehen, das sie mitgebracht hatte. Als Erstes wollte er einige elegante Fotos von ihr als verführerische Hollywood-Diva machen. Später, als er den Eindruck hatte, dass sie schon einigermaßen mit der Situation vor der Kamera vertraut war und ihre Scheu ein wenig abgelegt hatte, bat er sie, nach und nach sämtliche Hüllen fallen zu lassen.
    Hannah sah ihn zunächst irritiert an, und er fühlte sich zu einer Erklärung genötigt.
    »Es ist doch auch in deinem Interesse, dass sich deine Kunden ein Bild von dir machen können. Schließlich will doch niemand die Katze im Sack kaufen, oder?«
    Sie nickte und begann sich auszuziehen.
    Und er fotografierte wie ein Süchtiger, der nach langer Zeit des Entzugs wieder an seine Lieblingsdroge gekommen war. Wie im Rausch drückte er den Auslöser, noch einmal etwas weiter nach rechts, die Beine dort bitte etwas mehr auseinander, das Gesicht etwas höher, mehr ins Licht, lauteten seine Anweisungen, die auf Hannah sehr professionell wirkten. Nach ein paar Stunden waren sie fertig.
    »So«, Wenger war zufrieden, »ich habe alles im Kasten, du kannst gehen. Ich werde dir dann einige der Abzüge zusenden, damit du die schönsten heraussuchen kannst.«
    »Okay.« Hannah zog sich an und verließ das Studio.
    Ein komischer Kauz, dieser Fotograf, nie konnte er einem direkt ins Gesicht sehen, geschweige denn in die Augen blicken. Und ein wenig wortkarg war er auch. Nur durch die Arbeit mit der Kamera war er aufgetaut! Wahrscheinlich brauchte er diese Art Vehikel, um aus sich herauszugehen. Wie recht sie damit hatte, sollte sich bald erweisen.
    E s war Nacht in Zürich. Die Stadt war in märchenhaftes Licht getaucht, das sich wie tausend kleine Feuer im dunklen Wasser des Zürichsees spiegelte.
    Lea stieg ins Auto und fuhr los. Die engen Straßen oberhalb des Sees hinauf, immer auf der Hut vor den Straßenbahnen, deren Gleise die Straße kreuzten und sie wirklich gefährlich machten. Die Strecke führte immer weiter nach oben, den Berg hinauf, durch die schmalen Straßen des Villenviertels.
    Nach etwa zehn Minuten Fahrt erreichte sie ein Waldstück, das auf sie wie ein Teil einer anderen Welt wirkte. Die Zeit schien hier stillzustehen, was angesichts der Schweizer Uhrentradition wie ein Sakrileg anmutete. Nach einigen Kurven und einer beachtlichen Steigung von immerhin knapp sechshundert Metern hatte sie es dann endlich geschafft. Sie fuhr vor dem Hotel Dolder vor.
    Von dort hatte man einen atemberaubenden Blick auf die Stadt Zürich, den See und die Alpen. Im Zentrum des Resorts stand ein altes, zauberhaftes Schlösschen mit Türmen und Zinnen. In den vergangen Jahren war es für den unglaublichen Betrag von vierhundertvierzig Millionen Franken renoviert und umgebaut worden. Das Schloss war das Zentrum des Ensembles, um das viele neue Gebäude gruppiert waren. Viel Glas, viel Luft, klare Linien, und doch war die historische Substanz zu erkennen.
    Der Nachtportier öffnete ihr die Wagentür und begrüßte sie mit einem freundlichen »Willkommen im Hotel Dolder«.
    Sie stieg aus und betrat die denkmalgeschützte Halle des Traditionshauses. Alte Kassettendecken mit verschiedenen Motiven gab es hier zu bewundern, dazu viel Marmor. Die Empfangs halle, durch die sonst viele Gäste geschäftig strömten, schien menschenleer.
    Leas Blick blieb an zwei romantischen Landschaftsbildern des französischen Künstlers Vernet

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