Die Lust des Bösen
hölzernen Esstisch hängen, auf dem eine Vase mit längst verblühten roten Rosen stand. Niemand würde solche verwelkten Blumen aufbewahren, es sei denn, sie hatten eine besondere Bedeutung.
»Von wem sind diese roten Rosen?«
Benni zuckte die Schultern. »Hmm, also, dazu können wir jetzt nichts sagen, auf der Karte stand, dass sie für Hannah waren. Aber wie gesagt, einen festen Freund hatte sie nicht.«
»Darf ich mal schauen?«, fragte Max und war schon zum Esstisch hinübergegangen.
Er entdeckte die Karte, die zwischen den verwelkten Blumen steckte, nahm sie aus den verdorrten Rosenblättern und las: »M eine Seele schmachtet nach Deiner Hilfe; ich harre auf Dein Wort. Es schmachten meine Augen nach Deiner Verheißung; sie fragen: Wann wirst Du mich trösten?‹ Könnt ihr euch vorstellen, wer Hannah so etwas geschrieben haben könnte?«
»Nein, klingt etwas antiquiert, findest du nicht auch?«
»Ja«, überlegte auch der Kommissar. So sprach heute niemand mehr, zumindest kein normaler Mann.
»Meine Seele schmachtet …‹, so ein Quatsch, nicht, Kurt?«
»Ja, denke ich auch.«
Es klang wie eine Stelle aus einem alten Text. Hofmann dachte nach.
»Sagt mal, wie hat denn Hannah ihren Unterhalt finanziert? Gab es einen Nebenjob oder etwas anderes?«
»Ja«, sprudelte es aus Benni heraus, »den gab es.« Hannah habe seit Kurzem für eine Escort-Agentur gearbeitet.
»Aha! Könnt ihr mir vielleicht etwas mehr über diese Agentur erzählen?«
Die beiden schüttelten die Köpfe. Was ihre Arbeit anbetraf, so erklärten sie ihm, habe ihre Freundin nie viel erzählt – und sie hätten auch nie danach gefragt. Wenn sie es hätte erzählen wollen, dann wäre sie sicher damit herausgekommen. Aber sie hatte darüber geschwiegen wie ein Grab.
»Habt ihr vielleicht auch eine Adresse von dieser Agentur?«
»Sicher.« Hannah hatte ihnen eine Visitenkarte dagelassen. Falls mal etwas ist, hatte sie gesagt, für alle Fälle.
»Warte, ich hole sie«, Kurt verschwand im Flur und kehrte mit der Karte zurück.
Der Kommissar warf einen Blick darauf und zuckte zusammen. »Dr. Veith!« Er wusste nur zu gut, welche Art von Agentur das war, sagte aber nichts – er wollte die beiden nicht über Gebühr belasten. Sie sollten ihre Freundin so in Erinnerung behalten, wie sie ihnen zu Lebzeiten erschienen war. Zurückbleiben sollten die schönen Momente ihrer Freundschaft, die Erinnerung an gemeinsame Tage. Keinesfalls aber sollten ein übler Beigeschmack oder gar Zweifel entstehen, ob sie vielleicht ein anderer Mensch gewesen war als der, den sie gekannt hatten.
»Das alles ist so unfassbar für uns. Du musst wissen, dass sie schon so viel mitgemacht hatte.« Den Tod ihrer Mutter habe sie nie überwunden. Tragisch, wie sie bei einem Autounfall ums Leben gekommen sei, versicherten die beiden einhellig. Hannah habe ihrem Vater seine Frauengeschichten nie verziehen.
Der Kommissar überlegte. Vielleicht war es einer von Hannahs Kunden, der als Täter in Frage kam? Er bedankte sich bei den beiden Männern und versprach zum Abschied, sie auf dem Laufenden zu halten.
Während er in sein altes, schwarzes Porsche 911 Cabrio stieg – der einzige Luxus, den er sich gönnte –, überlegte er: Wenn Hannah bei der Agentur »Lovebird« gearbeitet hatte, hatte sie vermutlich mit einigen Kunden Sex gehabt. Er musste unbedingt mit Jasmin sprechen.
»Hallo, Max, was für eine Überraschung zu so später Stunde.«
Jasmin war schon im Bademantel, aber da sie sich schon so lange kannten, hatte sie trotzdem geöffnet.
Hofmann war ein attraktiver Mann, der ihr Herz höher schlagen ließ – ein durchtrainierter Typ mit gutmütigen braunen Augen und mittlerweile grauen, raspelkurzen Haaren. Meist trug er eine schwarze Bikerjacke und Jeans, die seinen wohlgeformten, knackigen Männerhintern gut zur Geltung brachten.
Jasmin hatte schon des Öfteren gedacht, dass vielleicht aus ihnen mal ein Paar hätte werden können, wenn sie beide nicht schon so verdammt abgeklärt und desillusioniert gewesen wären. Aber sie war zu professionell, als dass sie mit einem Kunden etwas angefangen hätte. Außerdem genoss sie ihr Singleleben, das sie nun schon fast zehn Jahre lang führte.
Normalerweise durfte keiner ihrer Kunden sie so ungestylt und ungeschminkt sehen, aber bei Max machte sie eine Ausnahme.
Sie war eine elegante, sehr zierliche Dame um die vierzig. Ihre langen braunen Haare trug sie sehr streng zum Zopf fri siert. Doch so zerbrechlich ihr
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