Die Lust des Bösen
äußeres Erscheinungsbild auch war, so bestimmend war sie doch in ihrem Auftreten. Wenn es um geschäftliche Belange ging, wurde ihre Miene schnell ernst, und sie verwandelte sich in eine sachliche und harte Geschäftsfrau.
»Na, soll ich dir eines meiner Mädchen schicken? Meinst du nicht, dass es dafür schon ein wenig zu spät ist? Ich bin ja hier keine Feuerwehr mit Bereitschaftsdienst«, scherzte sie.
»Nein, danke, ich bin heute dienstlich hier.«
»Oh, das ist ja etwas ganz Neues. Was kann ich denn für dich tun?«, fragte sie erstaunt.
»Es geht um eines deiner Mädchen, Hannah Hausmann. Sie wurde brutal ermordet, und soviel ich weiß, hat sie bei dir gearbeitet.«
»Ja, das ist richtig«, bestätigte Jasmin entsetzt. »Und ihr seid sicher, dass eure Tote Hannah ist?«
»Ja, ihr Vater Robert Hausmann hat sie einwandfrei identifiziert.«
»Das ist ja schrecklich!«
Der Kommissar bat sie, ihm die Daten von Hannahs letzten Kunden herauszusuchen.
»Du weißt doch, dass ich das nicht darf.«
Sie lebe nun einmal von der Diskretion, und wenn sie die Identität ihrer Kunden preisgebe, dann könne sie ihren Laden hier gleich dichtmachen.
»Ich verstehe deine Bedenken durchaus«, lenkte er scheinbar ein. »Aber meinst du nicht auch, dass dieses Mädchen es verdient hat, dass wir ihren Mörder finden? Wir müssen verhindern, dass so ein Irrer da draußen rumläuft und vielleicht noch mehr Mädchen von dir tötet! Oder willst du das etwa?«
Nein, natürlich wollte sie das nicht. »Du hast recht, Max. Warte hier, ich werde die Kontakte von Hannah heraussuchen. Aber ich muss dich bitten, das Ganze äußerst diskret zu behandeln.«
»Selbstverständlich«, sicherte er ihr zu, »du kannst dich auf mich verlassen.«
Wenig später kam sie mit einer Liste zurück.
»Das sind alle?«, fragte der Kommissar.
»Sie hat ja noch nicht sehr lange hier gearbeitet. Und einige Male hat sie auch einfach einen Termin geschmissen, wenn ihr der Klient nicht gefiel.« Eine Menge Ärger habe sie dann mit ihren Kunden bekommen, versicherte Jasmin. »Das kannst du dir sicher vorstellen.«
Max nickte.
»Hannah war schon sehr eigensinnig und eigentlich vollkommen ungeeignet für diesen Job«, erklärte sie. »Sie hat nie verstanden, dass es nicht um ihre Wünsche, sondern um die ihrer Kunden ging. Und dann hatte sie an die Männer einen hohen Anspruch: Gut mussten sie aussehen, charmant und gebildet sollten sie sein. Ein wenig weltfremd, findest du nicht?«
Max fühlte sich unbehaglich. Wie Jasmin ihn wohl sah?
»Sehr zurückgezogen hat sie gelebt. Soweit ich weiß«, fuhr sie fort und steckte sich vor lauter Nervosität eine Zigarette an, »ist sie nicht ein einziges Mal auf einer meiner Partys erschienen. Manchmal hat sie so traurig ausgesehen, als ob etwas sie bedrückte. Gesagt hat sie mir nie etwas, und ich wäre sicher auch die Letzte gewesen, der sie etwas anvertraut hätte. Aber ihre beiden Mitbewohner, die kannst du fragen.«
»Ja, danke, ich war schon bei ihnen.«
»Gut.« Die Agenturchefin gab sich geschlagen. »Also, hier hast du die Liste mit den Männern, mit denen sie sich verabredet hatte.«
Einige der Namen würden ihm sicher nicht unbekannt sein, warnte sie ihn.
Ein kurzer Blick genügte, und Max wusste Bescheid: ein bekannter Politiker, ein Wirtschaftsboss und ein Fußballstar von Hertha BSC.
E s war früh am Morgen, als Max die kleine Umkleidekabine am Schenckendorffplatz im Berliner Olympiapark betrat. Wie lange war es wohl her, seit er das letzte Mal in einem Stadion gewesen war? Er überlegte angestrengt, aber es wollte ihm nicht einfallen.
Wie damals in der Schule roch es auch heute eine Spur zu streng nach Füßen und Schweiß – eine Kombination, die er noch nie gemocht hatte.
Fast alle Spieler waren um diese Zeit schon auf dem Platz. Das freie Training war in vollem Gang. Nur einer hockte noch auf der Bank in der Kabine und band umständlich seine Fußballschuhe: Maurice Olong. Gerade hatte der Trainer ihm eröffnet, dass er beim Spiel gegen Bayern München nicht dabei sein würde. Seine Leistung sei einfach zu schlecht. Und dabei war es erst ein paar Wochen her, dass die Presse ihn als besten Stürmer des Jahres gefeiert hatte. Er sei ein fast vollkommener Spieler, hatten sie über ihn geschrieben – zweikampfstark, aber gleichzeitig auch technisch hochbegabt, spielintelligent und torgefährlich. Ein Konglomerat aus Defensiv- und Offensivstärke. Und jetzt? Was war davon geblieben? Er
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