Die Lustsklavin
Wieso versuchte ich nicht abzuhauen, zu flüchten? Was war nur los? Wieso fügte ich mich in dieses Leben hier ein, ohne zu rebellieren? So eine Art des Umgangs miteinander war mir total fremd, aber es ging mir schon in Fleisch und Blut über. Vielleicht gefiel es mir ja? Hatte ich nicht immer eine Lebensform gesucht, die anders ist? Eine, die meinem Naturell besser entspricht? Hatte ich genau das gefunden, hier im Nirgendwo, was ich immer gesucht hatte? Konnte ich mir vorstellen, immer so zu leben?
Meine Antwort darauf war eindeutig und es erschreckte mich sehr. Ja, ich konnte mir vorstellen, so zu leben, vielleicht mit Nicolas zusammen. Dennoch wollte ich mal wieder den Himmel sehen, die Sonne auf meiner Haut spüren, frische Luft atmen. Ich musste raus hier, das war klar. Türen zählen war eine Idee, aber es musste noch eine Möglichkeit geben. Wenn ich Chloé mal fragen würde, die konnte mir bestimmt Antworten geben. Die anderen, die hier lebten, mussten doch auch mal raus an die Luft. Niemand konnte ausschließlich hier im „Untergrund“ leben. Die Gedanken an Nicolas ließen mein Herz einen holprigen Hüpfer machen. Wie konnte ich mich verlieben in einen Menschen, einen Mann, der mich hier gefangen hielt? Gegen meinen Willen, unter Schmerzen. Wie konnte ich nur so verrückt sein? War ich es vielleicht schon? Verrückt? Ohne dass ich es bemerkt hatte? Nein, ich denke, ich war einfach nur verliebt und Liebe macht ja bekanntlich blind. Es war schwer, meine Gefühle unter Kontrolle zu bekommen, ihm nicht zu zeigen, was ich für ihn empfand. Er hatte gesagt, es dürfe nicht sein. Aber was nicht sein darf, kann man trotzdem nicht einfach abstellen. Außerdem gehöre ich mir nur selber und nicht diesem ominösen großen Meister. Ich war verliebt und ich entschied, dass es auch so bleiben sollte. Wenn Nicolas meine Gefühle nicht erwiderte oder erwidern konnte, würde ich leiden, sehr sogar, aber in diesem Moment war mir das egal.
Ich hüpfte froh gelaunt aus dem Bett und fühlte mich nach den anstrengenden Stunden mit Nicolas ein wenig wie nach einem sportlichen Tag voller anstrengender Leibesübungen. Mein Körper war übersät mit krustigen Wunden und roten Striemen und ich betrachtete sie voller Stolz. Es waren seine Spuren, seine Zeichen für mich, ich fühlte mich ihm zugehörig, nicht irgendeinem unbekannten Meister.
Um mich frisch zu machen, ging ich ins Bad und duschte ausgiebig, putzte mir die Zähne und rasierte mich routiniert. Meine strapazierten Haare brauchten auch besondere Pflege und ich widmete mich ihnen besonders lange. Ich musste unbedingt Chloé nach einer Haarkur für meine mittlerweile struppigen Haare fragen.
Gewaschen und gepflegt fühlte ich mich gleich besser und ging zurück in mein Zimmer. Meine Kleidung hatte ich zuvor aufs Bett gelegt – jetzt waren sie fort. Die Zofe musste hier gewesen sein und sie mitgenommen haben, ohne dass ich es bemerkt hatte. Nun hatte ich nichts zum Anziehen und musste wieder mal nackt herumlaufen, aber das kannte ich ja schon. Wenn man erst mal seine anerzogenen Schamgefühle ein wenig abgelegt hatte, merkte man gar nicht mehr, dass man nackt war. Ich ging im Zimmer umher und hing meinen Gedanken nach, als hinter mir die Tür geöffnet wurde. Dieses Geräusch war mir bereits so vertraut wie mein eigener Herzschlag.
Chloé betrat den Raum und begrüßte mich herzlich: „Hallo, Cassandra, wie hast du geschlafen?“
„Hallo, Chloé“, jubelte ich und ging auf sie zu. „Ich hab blendend geschlafen, tief und fest.“
„Das freut mich für dich. Ich habe deine Kleidung bereits mitgenommen.“
„Ja, ich war im Bad und habe dich gar nicht gehört.“
„Ich war leise, damit du dich nicht gestört fühlst.“
„Danke. Sag mal, gibt es hier so etwas wie eine Haarkur und ich brauche auch Nagellack und eine Nagelfeile“, lautete meine Frage und dabei zeigte ich auf meine lädierten Fingernägel. „Die haben es echt mal nötig.“
„Ich werde dir nachher alles Nötige besorgen, Cassandra. Du musst dich ja für den großen Meister herrichten, es dauert jetzt nicht mehr lange und du wirst zu ihm vorgelassen.“
„Kannst du mir mehr über ihn erzählen, Chloé? Bitte!“
„Das darf ich nicht. Du musst warten, bis du zu ihm vorgelassen wirst.“
„Aber das will ich doch gar nicht“, antwortete ich und rannte wütend im Zimmer hin und her.
„Du hast keine andere Wahl. Du gehörst ihm, ob du willst
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