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Die Lutherverschwörung

Die Lutherverschwörung

Titel: Die Lutherverschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Born
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ich gern noch eines wissen: Was ist deine Absicht? Du hast eine Armbrust, und vom Fenster schaut man auf den Reichstag. Wen willst du töten?«
    »Ich werde erst dich töten und dann Luther, ihr seid beide Teufel.«
    »Und du, wer bist du? Der Erzengel etwa?«
    »Ich stehe unter dem Schutz der Schwarzen Jungfrau.«
    »Die Schwarze Jungfrau – sie wird in meiner Heimat sehr verehrt.«
    Wulf fiel aus allen Wolken. »Ihr wollt behaupten, dass Ihr die Schwarze Jungfrau kennt?«
    »Ich habe oftmals zu ihr gebetet.«
    Mit einem Satz war der alte Mann bei Wulf, hob seinen Stock und schlug mit aller Kraft zu. Das gerade Gehörte hatte Wulf so sehr verwirrt, dass ihm keine Zeit zum Ausweichen blieb, nur den Kopf konnte er gerade noch zur Seite legen. Der Stock krachte auf seine linke Schulter. Schmerz und Ärger über seine Dummheit machten Wulf rasend vor Wut, doch ehe er sich wehren konnte, sauste schon der nächste Stockschlag auf ihn nieder. Diesmal konnte er seine Arme rechtzeitig in die Höhe reißen und die schlimmste Wucht des Hiebes abfangen. Der Schmerz, der durch beide Unterarme schoss, war trotzdem höllisch. Ganz gewiss hatte Wulf sich in Wladislaw getäuscht. Er war wirklich ein Teufel, denn nur der Teufel konnte einem alten Körper so erstaunliche Kräfte verleihen. Wulf lief davon, denn nach einem dritten Streich verspürte er wenig Lust. Der Alte verfolgte ihn, wieselflink, den Stock in der Luft schwingend. Es war, als ob Kinder Fangen spielen, denn sie rannten im Kreis um einige Säcke herum. Wulf empfand Scham, er lief vor einem alten Mann weg! Aber dieser Stock war in seinen Händen eine furchtbare Waffe, und zur Flucht gab es keine Alternative. Wulf schaute sich verzweifelt nach etwas um, womit er sich wehren konnte. Wieder sauste der Stock mit dem faustgroßen Knauf durch die Luft und verfehlte ihn um Haaresbreite.
    Wulf rannte nun in eine andere Richtung, weil er an der Wand eine kleine Getreideschaufel entdeckt hatte. Er gewann einen kleinen Vorsprung, fasste die Schaufel, drehte sich um und hielt sie in die Luft. Wladislaw blieb zwei Schritte entfernt von ihm stehen, hielt seinen Stock ebenfalls nach oben. Sie standen sich gegenüber wie zwei Schwertkämpfer. Wulf wollte endlich die Initiative ergreifen. Er holte aus und zielte nach dem Kopf des Alten. Der jedoch parierte seinen Schlag scheinbar mühelos auf halbem Weg.
    »Man sieht, dass du nur mit der Armbrust geübt bist, mein Kleiner«, sagte Wladislaw.
    Die dauernde Anrede »mein Kleiner« brachte Wulf noch stärker in Rage. »Du Teufel!«, schrie er und führte einen zweiten Streich, den der Großvater ebenso lässig abblockte.
    »Überanstrenge dich nicht!«, riet Wladislaw. »Du hast schon einen ganz roten Kopf.« Und während er das sagte, ging er nun seinerseits zum Angriff über und schlug mit dem Stock auf Wulf ein. Wulf dachte an das Messer in seinem Stiefel. Aber erstens hatte er keine Zeit, es hervorzuziehen, und zweitens hätte es ihm momentan überhaupt nichts genutzt.
    Der Alte hatte leider recht, Wulf fehlte jegliche Erfahrung im Schwert-oder Stockkampf, während Wladislaw den Eindruck machte, als bewege er sich auf vertrautem Terrain. Schon begannen Wulfs Arme zu ermüden. Er kam überhaupt nicht dazu, einen Gegenangriff zu starten.
    »Na, mein Kleiner, habe ich dir zu viel versprochen?«, höhnte Wladislaw. »Wie war das noch gleich mit dem Bären und seinem Fell?«
    Wulf blieb die Antwort schuldig. Für ihn ging es ums Überleben; falls ihm die Getreideschaufel aus der Hand fiel – und das konnte nicht mehr lange dauern –, würde ihm der Alte mit dem steinharten Knauf den Schädel zertrümmern.
    »Gehen dir schon die Kräfte aus? Was für kleine und dünne Ärmchen du hast – richtig niedlich!« Den letzten Satz begleitete Wladislaw mit einem besonders heftigen Schlag, und da geschah es: Wulf konnte den Stiel der Schaufel nicht länger in Händen halten, er flog durch die Luft, drehte sich ein paar Mal und schlug polternd gegen einen Stützbalken in der Mitte des Raumes. Entsetzt schaute Wulf hinterher, er rannte los und ergriff die Flucht, aber Wladislaw blieb dicht hinter ihm. Wulf spürte, dass er nicht schnell genug war, im Geist sah er schon den Stock auf seinem Kopf landen. Mit einem Hechtsprung warf sich Wulf nach rechts auf einen Getreidehaufen, der dort offen lagerte, das verschaffte ihm eine Atempause. Für einen kurzen Moment hatte er Wladislaw überrascht und verwirrt. Der alte Mann musste abbremsen und sich

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